Bilgen: Türkei ist zu einem Mafiastaat geworden

HDP-Sprecher Ayhan Bilgen erklärt zu den Drohungen des türkischen Innenministers Süleyman Soylu gegen seine Partei: „Seine Verlautbarungen zeigen, dass wir uns in einen Mafiastaat verwandelt haben.“

Ayhan Bilgen, Sprecher der Demokratischen Partei der Völker (HDP), hat sich auf einer Pressekonferenz in der Parteizentrale in Ankara zu aktuellen Themen nach den Wahlen in der Türkei vom 24. Juni geäußert. Noch über eine Woche später gebe es Angriffe auf die Parteien wie zu Wahlkampfzeiten, erklärte Bilgen: „Im Vorfeld der Wahlen mag es nachvollziehbar sein, dass die Parteien sich gegenseitig kritisieren. Jetzt jedoch wird unsere Parteivorsitzende Pervin Buldan vom Innenminister angerufen und direkt bedroht. Im Fernsehen wird gegen unsere Partei gehetzt. Wir wissen, dass die Türkei mit dem Verfassungsreferendum vom 16. April zu einem Parteistaat geworden ist. Die Botschaften der vergangenen Wochen zeigen jedoch, dass es keinen Wandel zu einem Parteistaat gibt, sondern zu einem Mafiastaat. Der Innenminister hat gar nicht das Recht zu beurteilen, ob unsere Partei legal oder nicht ist. Unsere Partei ist zu den Wahlen angetreten und arbeitet auf verfassungsrechtlicher Grundlage mit eigener Satzung und eigenem Programm als offiziell zugelassene Partei. Soylu kann sich trotzdem nicht bremsen und kriminalisiert unsere Partei, indem er behauptet, die HDP sei gar nicht existent.“

Weiteren Angriffen wird der Boden bereitet

Soylu bereite mit seinen Verlautbarungen neuen Angriffen den Boden und habe sich damit bereits zu seiner Verantwortung für die kommenden Entwicklungen bekannt, so Bilgen, der in diesem Zusammenhang eine umgehende Bekanntgabe des neuen Ministerkabinetts durch den türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdoğan forderte: „Einige Leute lässt die Hoffnung auf einen Ministerposten durchdrehen. Sie vergessen ihre eigentliche Aufgabe und konzentrieren sich darauf, wie sie sich in diesem Postenwettstreit in den Vordergrund stellen können. Der Innenminister ist für uns kein Gesprächspartner mehr.“

Formale Aufhebung des Ausnahmezustands reicht nicht

Zur aktuellen Debatte in der Türkei über ein Ende des Ausnahmezustands erklärt der HDP-Sprecher: „Wirtschaftlich und juristisch ist es wichtig, dass der Ausnahmezustand nicht verlängert wird. Eine rein formelle Aufhebung ist jedoch sinnlos. Es muss ein öffentlicher konkreter Wiedergutmachungsprozess stattfinden. Solange weiter über Notstandsdekrete getroffene Entscheidungen Gültigkeit haben, hat eine Beendigung des Ausnahmezustands keine Bedeutung. Die Entlassungen und willkürlichen Verhaftungen sind das Erbe des Ausnahmezustands und solange dieses Erbe weiter besteht, bedeutet eine formelle Aufhebung keine Demokratisierung.“