Bilgen: Von nun an heißt es Selbstorganisierung

Der HDP-Sprecher Ayhan Bilgen erklärt, warum man aufgrund der illegitimen Wahlergebnisse nun nicht im Pessimismus versinken darf.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ANF erklärt der Sprecher der Demokratischen Partei der Völker (HDP) Ayhan Bilgen, dass die Wahlen vom 24. April, sowohl aufgrund der Repressionen als auch wegen des Einsatzes der staatlichen Mittel für das Regierungslager, illegitim sind. Bilgen berichtet, dass er im Bezirk Sarıkamış von Qers (Kars) selbst Zeuge von Wahlmanipulation geworden ist und dass die Landräte und Dorfvorsteher mehr Wahlkampf für das Regierungslager betrieben haben, als die MHP und AKP selbst. Vor diesem Hintergrund sei der Wiedereinzug der HDP ins Parlament tatsächlich ein großer Erfolg. Das sei auch eine Reaktion der Gesellschaft darauf gewesen, dass die AKP mit allen Mitteln versucht habe, die HDP unter die Zehn-Prozent-Hürde zu drücken. Nun sei es an der Zeit, den Wählerwillen, der sich um die HDP herum gebildet habe, in eine starke Selbstorganisierung übergehen zu lassen. „Wir müssen den Geist, der sich auf den Straßen während des Wahlkampfes gebildet hat, nun am Leben halten. Vor allem müssen wir nun darauf hinarbeiten, dass wir insbesondere mit unseren Erstwähler*innen eine Basis für den gemeinsamen Kampf erschaffen", so Bilgen.

Die Legitimität dieser Wahlen ist zu hinterfragen"

Bilgen betont, dass es nicht möglich sei, bei den Wahlen vom 24. Juni von gleichen Bedingungen für alle politischen Parteien zu sprechen. So sei es nicht nur am Wahltag zu Unregelmäßigkeiten gekommen, sondern der gesamte Wahlkampf sei von außerordentlicher Repression und Ungleichbehandlung geprägt gewesen. „Die gesamte Opposition, und insbesondere die HDP, wurde durch Festnahmen und Repressionen angegangen. Zugleich wurden staatliche Mittel eingesetzt und öffentliche Dienstleistungen nur im Gegenzug für entsprechende Wählerstimmen in Aussicht gestellt, sodass wir mit Fug und Recht sagen können, dass die Legitimität dieser Wahlen zu hinterfragen ist.“

Bilgen macht weiterhin darauf aufmerksam, dass die Wahlen unter den Bedingungen des Ausnahmezustands stattfanden und dies national wie international zu heftiger Kritik geführt habe. Es gebe objektiv betrachtet keine Grundlage dafür, den nach dem Putschversuch ausgerufenen Ausnahmezustand weiter zu verlängern. Die Regierung habe allerdings die Ausnahmezustandsregelung missbraucht, um das Recht auf Versammlungsfreiheit zu unterbinden und oppositionelle Medienorgane schließen zu lassen. Bilgen fordert die Regierung nochmals auf, den Ausnahmezustand aufzuheben. „Auch die Fortsetzung dieser Regelung unter neuem Namen und mit neuen Gesetzen werden wir auf keinen Fall dulden“, erklärt Bilgen.

Das Medienmonopol der Regierung

Der HDP-Sprecher verweist bzgl. der Wahlergebnisse auch auf die Rolle der Medien in der Türkei. Allein der Verkauf der Doğan-Mediengruppe sei Beweis genug dafür, wie die Regierung die Medienlandschaft unter ihr Monopol stelle. Dasselbe gelte auch für den öffentlichen Rundfunk TRT, welcher ebenfalls eine einseitige Berichterstattung verfolge. Die staatliche Rundfunkstelle RTÜK sei auch weit davon entfernt, als unabhängige Instanz das unabhängige Informationsrecht der Bevölkerung zu garantieren. Stattdessen agiere die Anstalt wie ein dunkler Propagandaapparat.

Die Solidarität muss weitergehen“

Dass die HDP trotz dieser Gesamtsituation der Wiedereinzug in das türkische Parlament geschafft habe, sei als großer Erfolg zu werten, erklärt Bilgen. Die zwielichtigen Versuche der Regierungspartei, die HDP unter die Zehn-Prozent-Hürde zu drücken, habe in der Gesellschaft eine Gegenreaktion hervorgerufen. „Nicht nur unsere Stammwählerschaft, sondern auch neue Kreise, welche die Gefährlichkeit dieses Spiels der Regierung und die Wichtigkeit der HDP für die Türkei begriffen haben, gaben ihre Stimme für unsere Partei. Nun muss diese Solidarität über die bloße Stimmabgabe bei Wahlen hinausgetragen werden. Wir müssen dies in einen gemeinsamen gesellschaftlichen Kampf umwandeln, in das Zusammenkommen einer demokratischen Opposition. Es muss uns gelingen, die Unterstützung der HDP bei den Wahlen in eine Kraft zu verwandeln. Um das möglich zu machen, müssen wir uns entsprechend öffnen, Initiativen möglich machen und Arbeitsplattformen schaffen.“