Bilgen: Regierung bekommt mehr Kompetenzen als im Ausnahmezustand

Der HDP-Fraktionsvize Ayhan Bilgen warnt, die Regierung verleihe sich Kompetenzen, die sie selbst im Ausnahmezustand nicht habe.

Ayhan Bilgen, Fraktionsvize der Demokratischen Partei der Völker (HDP), hat im Parlament eine Pressekonferenz abgehalten, um die Themen auf der Tagesordnung zu bewerten. Bilgen wies darauf hin, dass der Gesetzentwurf für die Regelungen nach dem Ende des Ausnahmezustands, der morgen in der Justizkommission diskutiert werden soll, nichts anderes als eine Verstetigung des Ausnahmezustands darstelle. „Es wird zwar als ein Ende des Ausnahmezustands beschrieben, aber in Wirklichkeit endet nur die Zeit des Ausnahmezustands, während dieser de facto verstetigt wird. Man will das Ausnahmezustandsregime in die türkische Gesetzgebung integrieren. Wir stehen einer Situation gegenüber, in der einerseits die Aufhebung des Ausnahmezustands gelobt wird, aber andererseits noch schärfere Regelungen als im Ausnahmezustand eingeführt werden. Es handelt sich um nichts anderes als einen Versuch, diese Regelungen zu bewahren und ihnen eine rechtliche Grundlage zu verleihen“, sagte Bilgen.

„Die Türkei steckt in einer schweren Krise“

„Zwei Jahre nach dem 15. Juli stellen wir zwei klare Fragen: Der Justizminister gibt die Zahlen der mit dem Putsch verbundenen Verurteilungen bekannt. Es wird von 5.000 Personen mit Bezug zum Putsch geredet. Es ist notwendig, sich mit den zehntausenden Entlassenen auf eine andere Weise auseinanderzusetzen. Was wird mit den Personen, die zum Opfer von diesen 5.000 Personen, diesen Richtern und Staatsanwälten geworden sind? Was wird aus den Inhaftierten und Entlassenen? Es gibt auch Rektoren, die entlassen worden sind. Wenn diese Rektoren schuldig sein sollten, was wird dann aus den von ihnen erfassten und entlassenen Studierenden und Akademiker*innen?“

Bilgen wies auch auf die schwere ökonomische Krise in der Türkei hin. Die Regierung sei gezwungen, die Märkte zu beruhigen, darauf ziele die formale Aufhebung des Ausnahmezustands ab. Dies werde allerdings nicht ausreichen, betonte er.

„Vollmachten, die es selbst im Ausnahmezustand nicht gab“

Die Gesetzentwürfe, die ins Parlament eingebracht wurden, kritisierte der HDP-Vize als offen verfassungswidrig: „Es handelt sich hier um Regelungen, die das Regime in der Türkei vollkommen verändern und eine fortwährende Unsicherheit schaffen werden. Die Behauptung, damit Auflehnungen zu bekämpfen, ist unglaubwürdig. Die vierteljährlichen Verlängerungen des Ausnahmezustands in der Türkei enden, um diesmal auf drei Jahre zu verlängert zu werden“, sagte Bilgen.

Zu den neuen Regelungen gehört nach Angaben von Bilgen auch, dass Politiker*innen oder Vertreter*innen demokratischer Massenorganisationen, Journalist*innen oder Akademiker*innen, die berufsbedingt oder für eine Forschung in eine andere Region reisen möchten oder müssen, der Zutritt in die Stadt durch den Gouverneur verboten werden kann.