Besetzte Humboldt-Universität in Berlin geräumt
Die gestern in Solidarität mit der Bevölkerung Rojavas besetzte Humboldt-Universität in Berlin wurde noch am Nachmittag gewaltsam von der Polizei geräumt.
Die gestern in Solidarität mit der Bevölkerung Rojavas besetzte Humboldt-Universität in Berlin wurde noch am Nachmittag gewaltsam von der Polizei geräumt.
Aktivistinnen und Aktivisten der Kampagnen „Rise up for Rojava“ und „Women Defend Rojava“ hatten gestern zwei Seminarräume der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität (HU) in Berlin besetzt und forderten ein Ende der türkischen Invasion in Nordostsyrien und der Heuchelei der Bundesregierung zu diesem Thema. Zu der von den Verantwortlichen der HU veranlassten gewaltsamen Räumung durch die Polizei erklären sie: „Die Verantwortlichen der HU billigen und bevorzugen die Mittel der Polizeigewalt gegen Studierende anstatt demokratischen Dialog, Verständnis für legitimen Protest und eine aktive Hochschulpolitik zu respektieren.” Die Aktivist*innen verurteilen die demokratieverachtende, als auch meinungs- und versammlungsfreiheitswidrige Einstellung des Präsidiums gegenüber studentischen Protests gegen die völkerrechtswidrige Invasion der Angriffsarmee der Türkei, die von deutschen Rüstungsunternehmen beliefert wird. „Friedlichen Protest auf diese Art und Weise zu zerschlagen muss Konsequenzen für die Verantwortlichen bedeuten“, erklären sie und „fordern den sofortigen Rücktritt von Sabine Kunst und allen an der Entscheidung zur Räumung Beteiligten.“
Weiter heißt es in ihrer Stellungnahme zu der Räumung:
Wir haben am Donnerstag, den 24. Oktober, um 11.30 Uhr zwei Seminarräume (002 und 003) des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Humboldt-Universität (HU) in Berlin besetzt. Wir taten dies in Solidarität mit der Bevölkerung Nordostsyriens, die unermüdlich Widerstand gegen die Invasion der türkischen Armee leistet. Der Aufruf zur Mitwirkung und Solidarisierung beinhaltete auch all unsere Forderungen, die sich an das Präsidium der HU, an die deutsche Bundesregierung und an die interessierte Öffentlichkeit richteten.
Im Laufe des Nachmittags berief der Referent*innenRat (RefRat) der Studierenden der HU eine studentische Vollversammlung in den zuvor besetzten Räumen ein. Das Präsidium der HU unterbrach die Vollversammlung und entschloss sich, mit Hilfe ihrer Rechtsabteilung Scheinverhandlungen zum Zweck der sofortigen Beendingung unseres Protests durchzuführen.
Wenig später zeigte sich jedoch die bereits im Vorfeld gezogene „Berliner Linie“ hinsichtlich jeglicher friedlicher Besetzungen in Universitätsgebäuden: Die Strategie von Sabine Kunst und des vor Ort anwesenden Vizepräsidenten der HU glich der Vorgehensweise von Berliner Miethaien, die private Wohnhäuser unter massivem Polizeiaufgebot unverzüglich und rabiat räumen lassen. Offensichtlich hat das Präsidium die falschen Schlüsse aus der taggleichen Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen drei Besetzer*innen desselben Instituts der HU aus dem Jahr 2017 gezogen. Sabine Kunst scheute nicht davor zurück, eine Besetzung mit geplanten kurdischen Tanzworkshops, Filmvorstellungen und Diskussionsveranstaltungen über das gesellschaftspolitische Projekt in Rojava polizeilich zu beenden. Die Verantwortlichen der HU billigen und bevorzugen die Mittel der Polizeigewalt gegen Studierende anstatt demokratischen Dialog, Verständnis für legitimen Protest und eine aktive Hochschulpolitik zu respektieren. Daher schließen wir uns der Pressemitteilung des RefRats der HU an: Wir verurteilen die demokratieverachtende, als auch meinungs- und versammlungsfreiheitswidrige Einstellung des Präsidiums gegenüber studentischen Protests gegen die völkerrechtswidrige Invasion der Angriffsarmee der Türkei, die von deutschen Rüstungsunternehmen beliefert wird. Friedlichen Protest auf diese Art und Weise zu zerschlagen muss Konsequenzen für die Verantwortlichen bedeuten. Wir fordern den sofortigen Rücktritt von Sabine Kunst und allen an der Entscheidung zur Räumung Beteiligten.
Rund 300 Personen solidarisierten sich in einer spontanen Kundgebung vor dem Institutsgebäude in der Universitätsstraße 3B, trotz des zunehmenden Repressionsdrucks seitens der völlig unverhältnismäßigen Präsenz der Polizeihundertschaften. Die Polizei sperrte Straßen, erteilte mündliche Platzverweise und bedrängte die Teilnehmer*innen der Kundgebung. Währenddessen fanden im Innern des Institutsgebäudes über mehrere Stunden hinweg „Verhandlungen“ zwischen den sechzehn im Gebäude verbliebenen Besetzer*innen und der Vertretung des Präsidiums der HU statt. Die Besetzer*innen forderten ein öffentliches Statement der Präsidentin bezüglich der sofortigen Einleitung eines akademischen Boykotts gegen das türkische Hochschulsystem. Außerdem wurde gefordert, dass der Seminarraum 002 zur Absicherung der Einhaltung dieses Versprechens bis auf weiteres uneingeschränkt zugänglich und nutzbar gemacht wird. Alle Forderungen und Angebote wurden abgelehnt.
Wenig später griffen über 150 Polizeikräfte erneut unverhältnismäßig ein, räumten die Besetzung und leiteten sechzehn Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs ein. Der einzigen Person mit nichteuropäischem Pass wird zudem noch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Dabei waren es Polizeibeamte, die besagte friedfertige Person unter Anwendung massiver Gewalt zu Boden brachten und sie mit Schmerz- griffen und Handschellen fixierten, um sie schließlich kopfüber aus dem Institut herauszutragen. Hier zeigt sich einmal mehr der aggressive und rassistische Charakter polizeilicher Vorgehensweisen, gegen welche sich auch die Kämpfe richten, mit denen wir uns solidarisieren.
Wir fordern die sofortige Rücknahme aller Strafanzeigen seitens der HU und die sofortige Einstellung aller Ermittlungsverfahren seitens der Polizei Berlin. Außerdem halten wir an all unseren ursprünglichen Forderungen fest, darunter eben auch die Forderung an die HU dem Aufruf der Academics for Peace zu folgen und den akademischen Boykott des türkischen Hochschulsystems zu verwirklichen.
Überall auf der Welt regt sich Widerstand. Rojava inspiriert uns genauso wie auch all die Menschen auf den Straßen – unter anderen in Sudan, Algerien, Hongkong, Ägypten, Ecuador, Haiti, Irak, Libanon und Chile.
Wir bedanken uns bei allen solidarischen Menschen die uns mit tatkräftiger und lautstarker Unterstützung vor dem Institutsgebäude Energie geschenkt haben und rufen zur aktiven Beteiligung an zukünftigen Solidaritätsaktionen auf.