BAMF-Skandal: Ermittlungen gegen Staatsanwälte

In der Affäre um das Bremer Flüchtlingsamt gibt es weitere Ermittlungen. Vier Mitarbeiter:innen der Staatsanwaltschaft stehen unter Verdacht, die Privatgeheimnisse der ehemaligen Leiterin verletzt zu haben. Die Linkspartei fordert politische Konsequenzen.

In der Causa um den angeblichen Skandal in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Bremen gegen vier Bedienstete der Staatsanwaltschaft. Es gehe um den Verdacht der Verletzung von Privatgeheimnissen einer Beschuldigten, sagte Generalstaatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer am Montag der Deutschen Presse-Agentur und bestätigte damit einen Bericht der „Tageszeitung“ (taz).

Drei Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin der untergeordneten Behörde sollen sich im März 2019 im Gespräch mit einem Journalisten einer großen Zeitung vorverurteilend über die frühere Leiterin des Bremer Flüchtlingsamtes geäußert und „ehrenrührige Gerüchte“ gegen sie lanciert haben. Als Beschuldigte in dem Verfahren werden demnach der Leiter der Staatsanwaltschaft Bremen, eine Oberstaatsanwältin, der Pressesprecher der Ermittlungsbehörde und der Dezernent, der die Anklageschrift im BAMF-Verfahren federführend verfasst hatte, geführt.

Angebliche Missstände von Medien zu Skandal aufgebauscht

Im Frühjahr 2019 ermittelte die Bremer Anklagebehörde aufwendig wegen vermuteter Missstände beim Flüchtlingsamt der Hansestadt. Diese waren ein Jahr vorher von Medien zu einem „Skandal” aufgebauscht worden, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Es wurde behauptet, in Bremen habe es massenhafte falsche Asylentscheidungen im Fall ezidischer Geflüchteter gegeben. In der Presse wurde die Staatsanwaltschaft 2019 aber auch mit Äußerungen über das Privatleben der Amtsleiterin zitiert. Deshalb habe deren Verteidiger Strafanzeige gestellt, sagte Graalmann-Scheerer. Weil eigene Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keine Klärung brachten, habe sie den Fall an sich gezogen: „Ich habe von meinem Devolutionsrecht Gebrauch gemacht.“

Vorwürfe gegen Beamtin mittlerweile entkräftet

Der Ausgang ihrer Untersuchung sei aber völlig offen, sagte die Generalstaatsanwältin. Sie beschäftigt sich auch mit dem 2020 aufgetauchten Vorwurf, die Staatsanwälte hätten einseitig zu Lasten der Leiterin des Flüchtlingsamtes ermittelt. Die ausländerrechtlichen Vorwürfe gegen die Beamtin sind mittlerweile entkräftet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft führte nur zu einem kurzen Strafprozess im April gegen die 60-Jährige. Er wurde am zweiten Verhandlungstag wegen Geringfügigkeit eingestellt, als sie einen Strafbefehl über 10.000 Euro akzeptierte. Ihr Verteidiger Johannes Eisenberg hatte von einer „prozessökonomischen Verfahrenseinstellung” gesprochen.

Sofia Leonidakis: Viel Porzellan zerschlagen

„Der zur Rede stehende Umstand, dass die Privatsphäre der BAMF-Leiterin erheblich verletzt wurde und durch die Ermittler öffentlich Vorverurteilungen breitgetreten wurden, ist bereits durch das Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden. Bisher konnte oder wollte die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln, durch welche Personen dieser Rechtsbruch verantwortet wurde. Dass die Generalstaatsanwaltschaft nun die Ermittlungen an sich gezogen hat und gegen die vier Beschuldigten ermittelt, begrüße ich. Es ist schließlich viel Porzellan zerschlagen worden”, kommentierte Sofia Leonidakis, fluchtpolitische Sprecherin und Vorsitzende der Linksfraktion in der Bremer Bürgerschaft, den taz-Bericht. Die Vorgänge entwickelten sich immer mehr zu einem „handfesten Justizskandal”.

Gesamte Ermittlungen könnten einseitig und politisch motiviert gewesen sein

„Wenn der Leiter und der Sprecher der Staatsanwaltschaft sowie zwei weitere ermittelnde Staatsanwälte rechtswidrige Aussagen über eine Beschuldigte gegenüber Journalist:innen verbreiten, haben sie nicht nur ein fehlgeleitetes Rechtsverständnis. Sie erschüttern das Vertrauen in den Rechtsstaat, denn offensichtlich kann man sich nicht immer auf faire Ermittlungen verlassen”, so Leonikadis. Zusammen mit einem anonymen Schreiben aus der Ermittlungsgruppe, das rassistische und tendenziöse Ermittlungen angeprangert hatte, verstärke sich bei der Politikerin der Eindruck, „dass nicht nur die illegale Pressearbeit der Staatsanwaltschaft, sondern die gesamten Ermittlungen einseitig und politisch motiviert gewesen sein könnten”.

Jetzt müsse mit aller Kraft juristisch und politisch aufgeklärt werden, ob aus rassistischen und frauenfeindlichen Motiven Machtpositionen missbraucht wurden. Die Bremer Linksfraktion werde dazu auch eine entsprechende Anfrage noch einmal erneuern und hinsichtlich der Ermittlungen gegen die Staatsanwaltschaft ergänzen, kündigte Leonikadis an. Die 37-Jährige fordert politische Konsequenzen: „Die in der Vergangenheit so redselige Staatsanwaltschaft scheint jetzt verstummt zu sein. Aber neben der rechtlichen gibt es auch eine politische Dimension dieses Skandals. Ich erwarte von der Senatorin für Justiz geeignete Maßnahmen, um dieses Vertrauen wieder herzustellen!“