Prozessauftakt im sogenannten „Bremer BAMF-Skandal“

„Deutsche Politik muss Fluchtursachen bekämpfen, statt durch Erdogan-freundliche Politik Fluchtgründe zu schaffen”, erklären mehrere Initiativen und Organisationen im Vorfeld des sogenannten BAMF-Prozesses in Bremen.

„Der eigentliche Skandal ist nicht, dass hier zu viele Menschen Asyl bekommen, sondern dass so viele Menschen fliehen müssen. Deutschland trägt durch seine Türkei-Politik zu den Fluchtgründen bei, weil es durch den Flüchtlingsdeal von Erdogan erpressbar ist", erklärt Zînê Laleş vom Ezidischen Frauenrat ZEYNEP e.V. in einer Erklärung zum Prozessbeginn gegen eine Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der Mitarbeiterin wird vorgeworfen, ezidischen Asylbewerber*innen zu Unrecht Asyl gewährt zu haben. Ein Zusammenschluss ezidischer und anderer migrantischer Gruppen sowie weiterer Unterstützer*innen wird am 15. April ab 9.00 Uhr vor dem Landgericht in Bremen gegen den Asyldiskurs, der Geflüchtete nur als Belastung wahrnimmt, protestieren.

In der Erklärung, die vom Ezidischen Frauenrat Zeynep e.V., der Ezidischen Gemeinde zu Verden/Achim e.V., dem Frauenrat Sêvê, der Migrantifa Bremen, Queeraspora, Birati e.V. und Women Defend Rojava Oldenburg unterzeichnet wurde, heißt es weiter:

Am 15. April beginnt am Landgericht Bremen der sogenannte BAMF-Prozess: Einer Mitarbeiterin des BAMF wird vorgeworfen, ezidischen Asylbewerber*innen zu Unrecht Asyl gewährt zu haben. Aus diesem Anlass protestiert ein Zusammenschluss ezidischer und anderer migrantischer Gruppen sowie weiterer Unterstützer*innen am 15. April ab neun Uhr vor dem Landgericht mit Transparenten. Ihre Kritik richtet sich gegen einen Asyldiskurs, der Geflüchtete nur als Belastung wahrnimmt, aber nicht als Menschen mit schützenswerten Rechten. Die Perspektive der Betroffenen werde nicht gesehen. Sie verweisen außerdem auf die prekäre Lage der Ezid*innen in ihrer Hauptsiedlungsregion Şengal im Irak, wo aktuell ihre Sicherheit erneut bedroht ist, und kritisieren den deutschen Beitrag zu dieser Politik.

„Der eigentliche Skandal ist nicht, dass hier zu viele Menschen Asyl bekommen, sondern dass so viele Menschen fliehen müssen. Deutschland trägt durch seine Türkei-Politik zu den Fluchtgründen bei, weil es durch den Flüchtlingsdeal von Erdogan erpressbar ist", meint Zînê Laleş vom Ezidischen Frauenrat ZEYNEP. Zur Situation der Ezid*innen sagt sie:

„2014 hat der IS unsere Heimat Şengal überfallen und ein Massaker angerichtet. Viele Ezid*innen wurden getötet, tausende Frauen und Mädchen auf Sklavenmärkten verkauft. Gerettet haben uns nur die kurdischen Selbstverteidigungskräfte! Viele ezidische Frauen sind noch immer nicht aus der Sklaverei befreit. Seit langem werden die Eziden auch aus der Türkei vertrieben. Das früher von Eziden bewohnte Efrîn hat die Türkei 2018 überfallen und besetzt, Deutschland hat weggeschaut. Deutschland unternimmt nichts gegen die Fluchtursachen, sondern schafft mit seiner Erdogan-freundlichen Politik selber welche."

Zur aktuellen Bedrohung für die Ezid*innen im Irak sagt Binevş Şengalî von der Ezidischen Gemeinde zu Verden/Achim e.V.: „Jetzt sollen die ezidischen Selbstverteidigungseinheiten im Irak ihre Autonomie und ihre Waffen abgeben. Dabei sind sie die einzigen, die uns in Şengal beschützen würden."

Im Oktober 2020 wurde auf Druck der Türkei und der Trump-Regierung ein Abkommen geschlossen, ohne die ezidische Bevölkerung und ihre Selbstverwaltung einzubeziehen. Darin planen die irakische Zentralregierung in Bagdad und die Regierung der Autonomen Region Kurdistan in Hewlêr (Erbil) die Auflösung der ezidischen Autonomieverwaltung von Şengal und der ezidischen Selbstverteidigungskräfte. Bagdad und Hewlêr wollen diese durch Peschmerga und die irakische Armee ersetzen. Die Ezid*innen haben jedoch keinerlei Vertrauen in die Peschmerga, seitdem diese 2014 vor dem IS geflüchtet waren und die Ezid*innen dem Genozid durch den IS schutzlos ausgeliefert hatten.

Selbstverwaltung und Selbstverteidigung hatten die Ezid*innen erst 2014 nach der Rettung durch bewaffnete Einheiten der kurdischen Freiheitsbewegung vor dem IS aufgebaut. Damit hat die ezidische Gemeinschaft nach 74 gezählten Genozidversuchen erstmals eine eigene Selbstverteidigung.

Die Protestierenden solidarisieren sich ausdrücklich nicht mit den Angeklagten, sondern fordern eine deutsche Politik, die Fluchtursachen bekämpft und Schutzsuchende nicht kriminalisiert. Diese Praxis fordern sie für alle Asylsuchenden, denn die Ezid*innen stehen bedauerlicherweise nur zufällig und stellvertretend für die Betroffenen der hiesigen Asylpolitik.