Ayten Kaplan: „Bijî Berxwedana NRW!“

In Düsseldorf hat die Demonstration gegen das geplante neue Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen begonnen. Eine der ersten Rednerinnen war die NAV-DEM-Vorsitzende Ayten Kaplan.

In Düsseldorf hat die Auftaktkundgebung zur Großdemonstration gegen das in Nordrhein-Westfalen geplante neue Polizeigesetz begonnen. Zu der Demonstration haben Hunderte Organisationen aufgerufen.

Als eine der ersten Rednerinnen bei der Auftaktkundgebung äußerte sich Ayten Kaplan als Ko-Vorsitzende des kurdischen Dachverbands NAV-DEM zur gegenwärtigen Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland und rief zum kollektiven Widerstand gegen das geplante Polizeigesetz auf:

„Das neue Polizeigesetz zielt nicht auf irgendwelche Terroristen oder Kriminelle ab, sondern ist ein Frontalangriff auf jene kritischen Stimmen, auf Ausgegrenzte, Unterdrückte, Benachteiligte. Und dazu gehören Kurd*innen und mit dem kurdischen Freiheitskampf solidarische Aktivist*innen - eben nicht nur in Kurdistan bzw. den jeweiligen Besatzerstaaten wie der Türkei, wo die Kurd*innen und ihre Freiheitsbewegung täglich Angriffen , Krieg und Verfolgung ausgesetzt sind. De facto werden die Inhalte dieses Polizeigesetzes seit Jahren gegen Kurd*innen und ihre Organisationen bereits angewendet. Das hat natürlich nicht nur lokale oder organisatorische Gründe. Die Kriminalisierung und Repression durch politisch motivierte Polizei und die Staatsgewalt hierzulande ist im Einklang mit der Kriegsunterstützung der Bundesregierung mit einem der größten Abnehmer der deutschen Waffenindustrie, der Türkei. Milliarden Euro verdient die deutsche Waffenindustrie an völkerrechtswidrigen Kriegen wie zuletzt in Efrîn. Spätestens seit dem 1. Weltkrieg haben es Gegner des türkischen Staates zusätzlich auch mit dem deutschen Staat zu tun, einer Macht, die kontinuierlich und systematisch bei ihrer Verfolgung mithilft oder sogar wie seit Jahrzehnten diese selber übernimmt! Was hat das Ganze mit dem neuen Polizeigesetz zu tun?

In diesem Zusammenhang sind Kurd*innen und solidarische Menschen ein Dorn im Auge des deutschen Staates, weil sie diese Kriegsunterstützung und Beteiligung der BRD kritisch und lautstark benennen und sich dagegen hierzulande organisieren. Dieser Protest wird in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten massiv durch polizeiliche und staatliche Kriminalisierung und Repression angegriffen.

Es werden angemeldete Demonstrationen willkürlich von der Polizei und vor allem auf Initiative der NRW-Polizei bereits abseits vom Versammlungs- und Vereinsrecht eingeschränkt, mit eigenen Anordnungen und Auflagen verboten oder unmöglich gemacht. In München wurde abweichend von verschiedenen Gerichtsbeschlüssen das Zeigen von YPG/YPJ-Symbolen verboten, also die Symbole jener Kräfte, die seit Jahren für unser aller Demokratie- und Freiheitsverständnis gegen den sogenannten IS einen erfolgreichen Kampf geführt haben und die vor kurzem mit deutschen Waffen völkerrechtswidrig in Efrîn angegriffen wurden. Menschen, die auf genannten Demonstrationen sind, werden von der Polizei detailliert mit Bild- und Videomaterial erfasst. Dazu gehört auch, dass die Betätigung in kurdischen Vereinen per se unter Generalverdacht gestellt und bei möglichen Behördengängen juristisch als Hindernis im sozialen und beruflichen Leben von der Polizei als Druckmittel zur Einschüchterung eingesetzt wird. Im Zusammenhang mit der Kriminalisierung der Kurd*innen, die im Verbot der PKK als ein Geschenk an den türkischen Staat mündete, droht das neue Polizeigesetz zu einer weiteren Verschärfung der Verfolgung zu werden. Dagegen wollen und werden wir uns wehren! Das Abhören von Telefonaten, Bespitzelungen oder die Inhaftierung auf unbegründeten Verdacht von legalen Tätigkeiten ist für Kurd*innen schon längst Tatsache.

Die Polizei zeigt ebenfalls ihr wahres Gesicht, wenn sie das Teilen von Bildern mit YPG-Symbolen – die im Übrigen nicht verboten sind – in sozialen Medien als terroristische Betätigung diffamiert und kriminalisiert. Hausdurchsuchen sind nur die Spitze des Eisbergs und ein Ausdruck der dahinter steckenden Willkür: Im letzten Sicherheitsbericht der Münchener Polizei wird ein Genosse von uns für über 74 Prozent des Anstiegs der sogenannten „Ausländerkriminalität" verantwortlich gemacht, gemeint ist eben das Teilen von den genannten Bildern auf Facebook. Hierzu gab es noch kein Gerichtsurteil, aber das scheint der Polizei, die eindeutig eine politische Rolle übernommen hat, nur die Grundlage dafür zu sein, den Generalverdacht uns gegenüber legitimieren zu können. Sie trifft sich lieber mit führenden Köpfen der Grauen Wölfe, einer faschistischen Partei aus der Türkei, und mit AKP-Lobbyisten, wie zuletzt, um die "Sicherheitslage" zu besprechen. Eben genau mit jenen Kreisen die uns auch hier – wortwörtlich - jagen. Das ist mehr als skandalös und zeigt welches Ausmaß die Beteiligung der Polizei bereits jetzt schon in der Politik hat. Es macht deutlich, wer vom neuen Polizeigesetz betroffen sein wird und wer nicht.

Halim Dener, ein kurdischer Jugendlicher, wurde 1994 beim Plakatieren in Hannover von der Polizei erschossen. Der Polizist, der ihn ermordete, wurde anstatt bestraft zu werden, befördert.

Der Satz „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht" kann nicht oft genug wiederholt werden.

Die Angriffe auf unsere Grundrechte und Freiheit dürfen nicht stillschweigend hingenommen werden! Vergesst nicht, dass unsere heutigen Grundrechte von Generationen vor uns erkämpft worden sind. Wir müssen uns unserer historischen Pflicht bewusst sein, diesen bunten Protest auch nach dieser Demonstration fortzusetzen.

In diesem Sinne: Lasst uns dieses Polizeigesetz verhindern! Hoch lebe der Widerstand in NRW! Bijî Berxwedana NRW!“