Aufruf der HDP zur Wahlbeobachtung in der Türkei

Am 31. März werden in der Türkei Kommunalwahlen stattfinden. Angesichts der zunehmenden politischen Instabilität ist davon auszugehen, dass die Wahlen unter extrem antidemokratischen Bedingungen stattfinden werden.

Am 31. März werden in der Türkei Kommunalwahlen stattfinden. Angesichts der zunehmenden politischen Instabilität ist davon auszugehen, dass die Wahlen unter extrem antidemokratischen Bedingungen stattfinden werden. Dies war bereits bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Juni 2018 und dem Verfassungsreferendum im April 2017 der Fall. Aus diesem Grund ruft die Demokratische Partei der Völker (HDP) zur internationalen Wahlbeobachtung auf.

„In den letzten drei Jahren haben Präsident Erdoğan und seine ultranationalistischen Verbündeten die ohnehin schon schwachen und fragilen demokratischen Institutionen des Landes praktisch zerstört. Der Charakter dieses neuen Regimes zeigt sich am besten in dem Druck, der auf die Opposition ausgeübt wird, am intensivsten auf die Kurd*innen und die HDP. Gegenwärtig befinden sich mehr als 5.000 Mitglieder der HDP im Gefängnis, darunter unsere ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ. Außerdem ein aktueller und acht ehemalige Abgeordnete, 59 gewählte kurdische Bürgermeister*innen und viele weitere Parteimitglieder.

Die HDP war nicht das einzige Ziel der Notstandsgesetze, die nach dem misslungenen Putsch im Juli 2016 angewandt wurden. In diesem Prozess wurden mehr als 150.000 Menschen ohne gerichtlichen Beschluss entlassen. Über 2000 Nichtregierungsorganisationen und 200 Medien und Verlage, die meisten davon kurdische, wurden verboten. Mehr als 160 Journalist*innen wurden inhaftiert. Insgesamt wurden rund 80.000 Menschen verhaftet. Unter den Betroffenen befinden sich neben Abgeordneten und Bürgermeister*innen auch Menschenrechtsaktivist*innen, Gewerkschafter*innen, Journalist*innen, Akademiker*innen und viele andere, die nichts mit dem Putsch und Terrorismus zu tun haben. Das Erdoğan-Regime betrachtet jeden, das seine Politik kritisiert, als Verräter*in, Terrorist*in oder Staatsfeind.

Es ist wichtig festzuhalten, dass sowohl das Referendum im April 2017 und die Präsidenschaftswahlen im Juni 2018 unter enormen Gewalt und Repression der Notstandsgesetze stattgefunden haben.Trotz Änderungen der Wahlgesetze zugunsten der regierenden AKP, des staatlichen Monopols und der Zensur der Medien, dem Nutzen von öffentlichen Geldern für Wahlkampagnen, der Verhaftung von Politiker*innen sowie Betrug und Unregelmäßigkeiten konnten Erdoğan und seine Verbündeten nur knapp die Stimmenmehrheit bei dem Referendum und den Präsidentschaftswahlen erzielen. Wahlbeobachtungsdelegationen der OSCE/ODIHR und des PACE dokumentierten diese und andere Betrugsdelikte, Unregelmäßigkeiten und antidemokratische Praktiken der regierenden AKP-MHP-Koalition. 

Obwohl die Notstandsgesetze im Juli 2018 aufgehoben wurden, bleiben alle Praktiken mit voller Kraft bestehen. Willkürliche Festnahmen, Inhaftierungen und systematische Folter sind alltägliche Praktiken. Es gibt keine Meinungs- und Vereinsfreiheit. Selbst Abgeordnete dürfen keine öffentlichen Reden auf der Straße halten. Wir leben faktisch unter den Bedingungen der permanenten Notstandsgesetze, die keinen Raum für Widerspruch lassen. Und da das neue Regime auf ultranationalistischem Populismus basiert, erwarten wir, dass die HDP und die Kurd*innen das Hauptziel staatlicher Gewalt bleiben.

Tatsächlich verschärft sich das harte Vorgehen gegen die HDP im Vorfeld zu den im März 2019 geplanten Kommunalwahlen. Die HDP regierte 102 Gemeinden, als die Notstandsgesetze ausgerufen wurden. Jedoch setzte die Regierung Bürgermeister*innen von 96 der 102 Gemeinde ab und ersetzte diese mit „Kayyums“, von der türkischen Regierung ernannte Zwangsverwalter. 59 kurdische Bürgermeister*innen sind immer noch inhaftiert. Erdoğan drohte kürzlich, sollte die HDP bei den Wahlen gewinnen, er wieder seine eigenen Verwalter einsetzen werde. Und fast jeden Tag gibt es Dutzende Festnahmen und Verhaftungen unserer Mitglieder und demokratischer Menschen, welche die HDP unterstützen. Trotz dieses rechtswidrigen Drucks verpflichtet sich die HDP dazu, unsere Kommunen zurückzufordern und die Macht der AKP-MHP zu begrenzen, indem sie demokratische Fronten des Widerstands in den kurdischen Provinzen und im ganzen Land bildet. Angesichts der Bemühungen des Regimes, alle Mächte in Erdoğan’s Palast zu zentralisieren, sehen wir diese Wahlen als Gelegenheit, die lokale Demokratie zu verteidigen und die Macht von Erdoğan aus der Peripherie heraus zu beschränken. Angesichts der Umstände, unter denen die Wahl stattfinden wird, sind wir uns bewusst, dass dies eine schwierige, aber keine unmögliche Aufgabe sein wird.

Hiermit laden wir alle internationalen Institutionen und Einzelpersonen ein, die besorgt um die demokratische Zukunft der Türkei sind, die Lokalwahlen vor Ort zu beobachten und zu begleiten. Dabei sollte ein spezieller Fokus auf die kurdischen Provinzen gelegt werden. Die AKP-MHP-Koalition wird jede erdenkliche Art von Gewalt, Repression und Betrug anwenden, um die Wahlen zu gewinnen. Wir möchten, dass internationalen Beobachter*innen den würdigen Kampf der lokalen Bevölkerung gegen diese rechtswidrigen Praktiken vor und am Tag der Wahlen bezeugen. Obwohl die türkische Regierung sich genauso wenig an das Völkerrecht wie an die eigene Verfassung hält, kann die Anwesenheit internationaler Beobachter*innen dazu beitragen, dass ein besseres politisches Klima für die Wahlen geschaffen wird.”

Für Fragen und weitere Hilfe kann die Deutschlandvertretung der HDP kontaktiert werden: [email protected]

Interessierte sollten mitteilen, wer sie sind und woher sie kommen. Als Reisezeitraum ist der 28. März bis 01. April 2019 vorgesehen. Anmeldeschluss ist der 25. Februar 2019. Mehr Informationen folgen nach der Anmeldung.