Die von HDP-Abgeordneten in Ankara gestartete „Mahnwache für Gerechtigkeit“ gegen die andauernde Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali wird fortgesetzt. Heute beteiligten sich die Fraktionsmitglieder Murat Sarısaç, Imam Taşçıer, Ayşe Sürücü, Kemal Bülbül, Erdal Aydemir, Fatma Kurtulan, Hüseyin Kaçmaz, Hasan Özgüneş, Mahmut Toğrul und Celadet Gaydalı an der Initiative.
„Wir haben es hier mit eine oligarchisch-faschistischen Mentalität zu tun“
Der Abgeordnete Hasan Özgüneş erklärte: „Bekanntlich führen wir seit dem 21. Dezember unsere Mahnwache für Gerechtigkeit und gegen Isolation durch. Wie bereits am ersten Tag erklärt, fordern wir ein Ende dieser Isolation. Solange dies nicht geschieht, werden wir unsere Aktivitäten auf vielen Ebenen fortsetzen. In demokratischen Ländern werden Recht, Gerechtigkeit, Gewissen und soziale Forderungen beachtet. Hier ist der Stand der Dinge aber ein anderer: Wir haben es in diesem Land mit einer oligarchisch-faschistischen Mentalität zu tun, die auf einem Ein-Mann-Regime basiert. Seit Jahren sind Herr Öcalan und seine Freunde auf Imrali isoliert. Diese Isolationspraxis entspricht weder religiösem, moralischem, türkischem oder universellem Recht.
„Kranke Gefangene werden de facto hingerichtet“
Wir leben in einer Zeit, in der es kein Gewissen gibt und das Recht außer Kraft gesetzt wurde. Die Isolation gilt nicht nur für Herrn Öcalan, sondern wird in allen Gefängnissen angewendet. In den letzten zwei Jahren sind 142 Gefangene durch Krankheit ums Leben gekommen. 1605 weitere Inhaftierte sind derzeit krank, mehr als 500 von ihnen schwer. Die Praxis in den Kerkern ähnelt dem Putsch-Regime vom 12. September 1980. Das Kenan-Evren-Regime hat 50 Gefangene in Kerkern hinrichten lassen, aber das AKP/MHP-Regime behandelt kranke Gefangene nicht und richtet sie so de facto hin. Sonst gäbe es nicht so viele Tote. Dies ist eine raffiniertere Form gezielter Hinrichtung. Es ist nicht nötig, die anderen Probleme aufzuzählen.
„Öffnung von Imrali kann die Türkei demokratisieren“
Es gibt zwei Hauptgründe, warum sich dieses Problem sowohl in den Kerkern als auch auf Imrali so sehr verschärft hat und warum es sich auf die Gesellschaft als Ganzes ausgeweitet hat. Der eine ist, dass die kurdische Frage seit 100 Jahren nicht gelöst wurde und dass alle Regierungen glauben, dieses Problem durch Gewalt aus der Welt schaffen können. Diese Haltung verfolgen sie mit der Sturheit eines Bocks. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass Putsche, Kriegsrecht und der Ausnahmezustand im Land aufrechterhalten werden und die Gesellschaft daran gehindert wird, sich zu äußern und zu organisieren. Heute gibt es für niemanden in der Türkei mehr ein sicheres Leben. Niemand kann einen Ort finden, an dem er sich frei äußern und ohne Probleme organisieren kann. Das Fortbestehen dieser Mentalität stürzt die Türkei ins Chaos. Wir behaupten, dass die Türkei, wenn die Tore von Imrali geöffnet werden, dieses höllische Leben, diesen schmutzigen Krieg, dieses Unterdrückungsregime loswerden und ein demokratisches, freiheitliches und rechtsbasiertes System erreichen kann.“
„Wovor fürchtet ihr euch?“
Wir haben das schon einmal deutlich gesehen. Während der Osloer Gespräche und der Gespräche in den Jahren 2012–2013 hatten die Menschen in der Türkei ein Gefühl der Hoffnung, die Türkei war erleichtert. In einem der letzten Gespräche sagte Öcalan: ‚Wenn man mir die Gelegenheit gibt, wenn ich einen Gesprächspartner finde, kann ich diesen schmutzigen Krieg und die Atmosphäre des Konflikts beseitigen.‘ Kann es eine bessere Gelegenheit als diese geben? Seit mehr als 22 Monaten dürfen Herr Öcalan und seine Freunde ihre Anwälte und Familienangehörigen nicht mehr treffen, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gibt. Sie haben keinen Kontakt zur Außenwelt. Daher ist diese Situation sowohl für das Volk als auch für ihre Familien und Verwandten ein Grund zur Sorge. Dies ist inakzeptabel und schafft den Boden für die Vertiefung von Konflikten und Chaos. Wir fordern, dass die Tore von Imrali so schnell wie möglich geöffnet werden und dass die Rechte aller Gefangenen auf Imrali und in den anderen Gefängnissen in einer Weise umgesetzt werden, die einem demokratischen Land angemessen ist. Der Weg für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage muss geebnet werden, und alle, die etwas zu sagen haben, müssen dies auf friedliche Weise tun. Alle Parteien haben die Möglichkeit, die Probleme der Türkei, insbesondere die kurdische Frage, durch Verhandlungen auf demokratischer Basis im Parlament zu lösen. Aus diesem Grund sollte die Isolation so schnell wie möglich aufgehoben werden, und Anwälte und Angehörige sollten sich mit Herrn Öcalan und den anderen Gefangenen treffen. Wir sind hoffnungsvoll und werden unseren Kampf bis zum Ende fortsetzen.“