Der Rechtsbeistand von Abdullah Öcalan hat eine Beschwerde beim Vollstreckungsgericht in Bursa eingereicht. Mit dem Schritt soll die Behörde dazu gebracht werden, dem kurdischen Vordenker sowie dessen Mitgefangenen Besuche von Angehörigen auf der Gefängnisinsel Imrali zu gewähren. Der letzte Familienbesuch in der Hochsicherheitsstrafvollzugsanstalt war vor zwei Jahren genehmigt worden. Seitdem haben die Vollstreckungsbehörden in regelmäßigen Abständen Kontaktsperren in Höhe von drei oder sechs Monaten gegen die Imrali-Gefangenen erteilt, um den Kontakt zu ihrer Außenwelt zu unterbinden.
Begründet wird dieses Vorgehen standardmäßig mit „Disziplinarstrafen“, die sich auf nicht näher bezeichnete und laut dem Rechtsbüro Asrin auf konstruierte „Vergehen“ beziehen. Sogar die 2009 von Abdullah Öcalan verfasste „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde, wird immer wieder für die Unterbindung von Besuchen herangezogen.
Gegen die Kontaktsperren ist die Kanzlei Asrin bereits dutzende Male juristisch vorgegangen – bislang erfolglos. Die letzte Verbotsfrist lief vor über vier Monaten aus, doch keiner der seither gestellten Besuchsanträge von Familienmitgliedern wurden genehmigt. Im Gegenteil: sämtliche Ersuchen sind von den türkischen Justizbehörden ignoriert worden. Auch eine Ende November eingereichte Beschwerde von Asrin beim Vollstreckungsgericht Bursa konnte nicht bewirken, dass die Isolation auf Imrali aufgehoben wird.
Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner Verschleppung in die Türkei im Jahr 1999 auf der im Marmarameer gelegenen Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft. Der letzte Kontakt zu ihm war ein Telefongespräch mit seinem Bruder im März des vergangenen Jahres, das nach wenigen Minuten unterbrochen wurde. Betroffen von dem Isolationssystem Imrali sind auch Abdullah Öcalans drei Mitgefangene, die 2015 im Zuge des Dialogs zwischen dem kurdischen Vordenker und dem türkischen Staat in das Inselgefängnis verlegt wurden: Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş.
Asrin: Einjährige Einzelhaft ohne Kontakt zur Außenwelt ist Folter
Mit seinem Rechtsbeistand von der Kanzlei Asrin hatte Abdullah Öcalan zuletzt im August 2019 Kontakt. Nach acht Jahren Unterbrechung waren mit einem von der inzwischen wieder inhaftierten Politikerin Leyla Güven angeführten Hungerstreik insgesamt fünf Anwaltsbesuche durchgesetzt worden. Ende vergangener Woche veröffentlichte Asrin mahnende Worte und wies darauf hin, dass es seit einem Jahr keinerlei Informationen über den Zustand der Imrali-Gefangenen gibt. In dem Appell wurde hervorgehoben, dass „eine einjährige Einzelhaft ohne Kontakt zur Außenwelt nach den Grundsätzen des Völkerrechts und der Rechtsprechung Folter darstellt.“ Es liege in der verfassungsrechtlichen Verantwortung der staatlichen Organe, diese Praxis sofort zu beenden und dafür zu sorgen, dass die Mandanten auf Imrali ihre Anwält:innen und Familienmitglieder treffen können.