Der Rechtsbeistand von Abdullah Öcalan hat am Montag bei der Staatsanwaltschaft Bursa einen weiteren Antrag für einen Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali gestellt. Eingereicht wurde der Besuchsantrag von Nevroz Uysal, Ibrahim Bilmez, Mazlum Dinç und Serbay Köklü von der Istanbuler Kanzlei Asrin. Seit inzwischen mehr als zwei Jahren wird der kurdische Vordenker wieder vollständig von seinen Verteidiger:innen abgeschottet. Sämtliche in diesem Zeitraum gestellte Besuchsanträge wurden von den türkischen Justizbehörden entweder ignoriert oder abgelehnt. Öcalan wird ein Haftregime auferlegt, das auf körperliche und physische Vernichtung abzielt.
Mandantenbesuche durch monatelangen Hungerstreik erkämpft
Abdullah Öcalan befindet sich seit 1999 in fast absoluter Isolation im Inselgefängnis Imrali im Marmarameer. Das letzte Lebenszeichen von ihm hatte es am 25. März bei einem Telefongespräch mit seinem Bruder Mehmet Öcalan gegeben, das nach wenigen Minuten unterbrochen wurde. Erstmals nach acht Jahren Kontaktsperre war es seinem Rechtsbeistand im Mai 2019 gelungen, auf die Insel zu gelangen. Allerdings musste der Besuch von politischen Gefangenen mit einem Hungerstreik erkämpft werden, den die Politikerin Leyla Güven initiiert und 200 Tage lang angeführt hatte. Das letzte Mandantengespräch auf Imrali fand am 7. August 2019 statt. Auch Öcalans drei Mitgefangene Ömer Hayri Konar, Veysi Aktaş und Hamili Yıldırım werden von ihrer Außenwelt isoliert. Um Kontakt mit ihnen zu erwirken, sind die politischen Gefangenen in der Türkei seit dem 27. November 2020 erneut im Hungerstreik.
Willkürliche Disziplinarstrafen zur Einschränkungen von Gefangenenrechten
Vergangenen März war bekannt geworden, dass bereits im Januar eine weitere Disziplinarstrafe gegen Abdullah Öcalan ausgesprochen wurde. Diese Form der Sanktion wird in regelmäßigen Abständen erneuert, um die Rechte Öcalans als Gefangenem einzuschränken. Eine im September vergangenen Jahres durch das Vollzugsgericht Bursa verhängte Kontaktsperre etwa war mit Disziplinarstrafen gegen die Imrali-Gefangenen in den Jahren 2005 bis 2009 und der 2009 von Öcalan verfassten „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde, begründet worden. Am 23. März lief das Verbot aus, dennoch werden Besuchsanträge nicht genehmigt. Andere Disziplinarstrafen sind damit begründet worden, dass Öcalan in der offiziellen Sportzeit auf dem Gefängnishof auf und ab geht. Entgegen der europäischen Rechtsprechung, den Forderungen des Antifolterkomitees (CPT) und einer Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist der türkische Staat nach wie vor nicht bereit, die Isolation auf Imrali aufzuheben.
Wichtigster politischer Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung
Abdullah Öcalan führte von der Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1978 bis zu seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenias Hauptstadt Nairobi auf die türkische Gefängnisinsel Imrali am 15. Februar 1999 als Vorsitzender der PKK den kurdischen Befreiungskampf an. Er gilt nach wie vor als führender Stratege und wichtigster politischer Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung. Seine in Isolationshaft verfassten Gefängnisschriften, in denen er den Paradigmenwechsel der PKK von einer nationalen Befreiungspartei hin zu einer radikaldemokratischen, multiethnischen und politisch offenen Basisbewegung für den gesamten Mittleren Osten anstieß und die politische Philosophie des Demokratischen Konföderalismus begründete, haben seit 1999 weltweit große Beachtung gefunden. Mehrfach initiierte Öcalan einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine demokratische und politische Lösung der kurdischen Frage. Der letzte Dialog staatlicher Stellen mit ihm wurde 2015 einseitig von der türkischen Regierung beendet. Am 4. April wurde Abdullah Öcalan 72 Jahre alt.