Der linke Aktivist Taylan Kulaçoğlu und der Journalist Hakan Gülseven sind in der westtürkischen Stadt Ayvalık (Provinz Balıkesir) festgenommen worden. Die Hintergründe der Festnahmen sind noch unklar, allerdings diffamierte die regierungsnahe Zeitung Sabah Kulaçoğlu zuletzt als einen „Terror-Unterstützer aus dem Umfeld der DHKP-C”, der das Land in „Unruhen” stürzen und einen „Gezi-ähnlichen Aufruhr” anzetteln wolle. An der breit angelegten Diffamierungskampagne von Sabah nahm auch die Troll-Armee des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan teil.
Nach Angaben der Rechtsanwältin Dilara Kara soll Kulaçoğlu am Montag einem Haftrichter vorgeführt werden. Bis dahin bleibe er in Polizeigewahrsam. Der Aktivist soll vor einiger Zeit ein Internet-Kollektiv namens „İsimsizler” („Die Namenlosen”) im Sinne der Anonymous-Bewegung gegründet haben. Regierungsnahe Blätter ließen daraufhin nicht lange auf sich warten, Kulaçoğlu an den Online-Pranger zu stellen. Ob der Journalist Hakan Gülseven im Rahmen derselben Ermittlungen festgenommen wurde, ist noch nicht bekannt. Allerdings sei davon auszugehen, heißt es.
Taylan Kulaçoğlu ist der islamistischen Erdoğan-Regierung bereits seit Jahren ein Dorn im Auge und wird immer wieder von AKP-Trollen und regierungsnahen Journalisten bedroht. 2013 wurde er zweimal im Rahmen von Ermittlungen gegen die linke Hackergruppe Redhack festgenommen, aus Mangel an Beweisen einer Mitgliedschaft jedoch wieder freigelassen. Nachdem Redhack im September 2016 das persönliche E-Mail-Konto des damaligen Enegieministers und heutigen Finanzministers und Erdoğan-Schwiegersohns Berat Albayraks knackte – und dessen Mails daraufhin im Internet veröffentlicht und an Journalisten verschickt wurden, wurde Kulaçoğlu erneut festgenommen. In den Mails ging es unter anderem um Kontakte Albayraks zu syrischen Terrorgruppen und die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Außerdem wurde durch die geleakten Mails bekannt, dass der Schwiegersohn des Präsidenten insgeheim auch Chef des Unternehmens PowerTrans sei, das gegen den Willen der irakischen Zentralregierung Öl aus dem PDK-regierten Südkurdistan befördert.
Das Hacker-Kollektiv Redhack hatte allerdings zuvor schon mit spektakulären Aktionen für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Jahr 2012 drang die Gruppe in das Computersystem der Polizei von Ankara ein und veröffentlichte Details über deren Spitzel.
Hakan Gülseven (l.) und Taylan Kulaçoğlu, Foto: privat
Der Journalist Hakan Gülseven, der Chefredakteur des linken Magazins RED ist, wurde Anfang des Jahres wegen „Beleidigung eines Staatsbediensteten” zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Hintergrund war eine Anzeige des früheren Gouverneurs der Provinz Sakarya, Hüseyin Avni Coş. Dieser hatte bei einer Zeremonie am Atatürk-Gedenktag einen Bürger bezichtigt, ihn beleidigt zu haben und vor laufenden Kameras zum Sicherheitspersonal gesagt: „Holt mir diesen Zuhälter.” Gülseven übte daraufhin scharfe Kritik und wurde von Coş verklagt. Das Urteil gegen den Journalisten ist noch nicht rechtskräftig.