Ahmet Telli wegen „Terrorpropaganda“ verurteilt

Der türkische Dichter Ahmet Telli ist in Ankara zu zehn Monaten Freiheitsstrafe wegen „terroristischer Propaganda“ verurteilt worden. Die Haftstrafe gegen den 76-Jährigen wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Der türkische Dichter Ahmet Telli ist in Ankara zu zehn Monaten Freiheitsstrafe wegen „terroristischer Propaganda“ verurteilt worden. Hintergrund des Strafverfahrens war eine Kundgebung im Jahr 2017, bei der Telli gesprochen und eines seiner Gedichte vorgetragen hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft für den 76-Jährigen gefordert.

Der Prozess vor der 26. Kammer für schwere Straftaten in Ankara wurde vom Verein für Wissenschaft, Kunst und Literatur, der Media and Law Studies Association (MLSA) und dem Menschenrechtsverein IHD beobachtet. Am letzten Verhandlungstag nahmen über fünfzig Beobachter:innen aus dem In- und Ausland teil.

Ahmet Telli erklärte nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, er habe aus seiner Verantwortung als Intellektueller heraus an der kriminalisierten Kundgebung teilgenommen. „Meine Absicht war, ein Gedicht vorzutragen. Als Intellektueller habe ich bereits früher an gesellschaftlichen Anliegen beteiligt, das ist meine Aufgabe“, sagte Telli und forderte Freispruch. Sein Rechtsanwalt Umut Vedat Acar schloss sich der Forderung an und wies darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Kundgebung bereits 75 weitere Angeklagte straffrei ausgegangen sind, weil kein Straftatbestand vorlag. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht, der Vollzug der Haftstrafe wurde jedoch ausgesetzt.

Ahmet Telli ist 1946 in der Provinz Çankırı geboren und hat bereits in jungen Jahren Gedichte geschrieben. Er war als Grundschullehrer, bis er nach dem Militärputsch 1980 verhaftet und sein Dienstverhältnis beendet wurde. Später arbeitete er als Buchhändler, Verleger und Herausgeber und veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände, die mehrfach ausgezeichnet wurden. 1993 kehrte er nach einer Gerichtsentscheidung in den Lehrdienst zurück. Seit seiner Pensionierung widmet er sich ganz der Lyrik, äußerte sich jedoch auch immer wieder öffentlich zum politischen Geschehen. Die Kundgebung in Ankara fand nach dem Tod von Ulaş Bayraktaroğlu in Rojava statt. Der Internationalist aus der Türkei war Kommandant der Vereinten Freiheitskräfte (Birleşik Özgürlük Güçleri, BÖG) und ist im Mai 2017 in Raqqa im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat” (IS) ums Leben gekommen. Telli hatte auf der Kundgebung von der Geschwisterlichkeit der Völker gesprochen.