„Abschiebungen und Aufnahmestopp bekämpfen Islamismus nicht“
Nach dem Anschlag von Solingen befeuert die CDU flüchtlingsfeindliche Debatten. Kurz nach der Messerattacke in der Innenstadt Solingens mit drei Toten hat CDU-Chef Friedrich Merz einen generellen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan gefordert. „Nach dem Terrorakt von Solingen dürfte nun endgültig klar sein: Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen. In der Mehrzahl der Fälle sind dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stehen islamistische Motive dahinter“, hieß es in seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisierte Merz‘ Forderung als „unmenschlich und populistisch“. „Reflexhafte Forderungen nach Abschiebungen und einem Aufnahmestopp für Asylbewerber aus Afghanistan oder Syrien bekämpfen Islamismus nicht“, sagte GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido am Montag in Göttingen. Er warf Merz vor, vollkommen außer Acht zu lassen, dass ethnische und religiöse Minderheiten vom IS verfolgt werden. „Ihnen muss Deutschland Schutz gewähren“, forderte Sido. Ein kompletter Aufnahmestopp sei ohnehin nicht mit dem Asylrecht vereinbar.
Verdächtiger geflüchtet aus Deir ez-Zor
Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau waren bei der Messerattacke am Freitagabend auf einem Volksfest in Solingen gestorben. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Anschließend entkam der Täter, ein 26 Jahre alter Flüchtling aus der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor, im Tumult und in der anfänglichen Panik und blieb zunächst etwa 24 Stunden verschwunden. Nach ihm wurde intensiv gefahndet. Am Samstagabend stellte er sich der Polizei und kam tags darauf in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erließ Haftbefehl unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und wegen Mordes. Der IS reklamiert die Tat für sich. Sie sei aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo“ verübt worden, heißt es in einem Bekennerschreiben.
„Die Ampelparteien und die oppositionelle Union müssen sich endlich glaubhaft gegen Islamismus einsetzen“, forderte Kamal Sido. Dafür müsse auch ein Umdenken in der deutschen Außenpolitik stattfinden. Solange islamistische Machthaber wichtige Partner Deutschlands und der NATO blieben, seien Forderungen nach Abschiebungen als Islamismus-Bekämpfung „unglaubwürdig und fahrlässig“, kritisierte der Menschenrechtler. Er warf Regierungen von NATO-Ländern vor, ohne eine politische Strategie in Syrien und Afghanistan interveniert und dort auch islamistische Kräfte finanziert zu haben. Viele islamistische Gruppen seien erst so, durch die politische und diplomatische Unterstützung der NATO-Regierungen, erstarkt. „Trotzdem scheinen Deutschland und die weiteren NATO-Regierungen nicht begriffen zu haben, dass die Unterstützung des Islamismus ein gefährliches Spiel mit dem Feuer ist“, betonte Sido.
Solange Erdoğan unterstützt wird, kann IS-Terror nicht verhindert werden
„Um Russland und China international zu schwächen, setzen die NATO-Regierungen weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Islamisten. Das zeigt sich beispielsweise in Syrien. Die islamistische Muslimbruderschaft ist als Oppositionsgruppe ein gern gesehener Gast im Auswärtigen Amt. Am deutlichsten aber zeigt sich dies in der bedingungslosen Unterstützung der islamistischen AKP Erdoğans durch deutsche Parteien wie SPD, FDP, Grüne und CDU/CSU“, so der GfbV-Referent. „Während die NATO-Länder, Russland und China um die Gunst der Islamisten buhlen, setzen die islamistischen Machthaber in der Türkei, in Katar und in Aserbaidschan ihre menschenverachtende Politik gegen Kurden, Armenier, Christen, Yeziden, Juden, Baha‘i, Mandäer und andere religiöse oder ethnische Minderheiten, vor allem aber gegen muslimische Frauen und die Bevölkerungsmehrheit unvermindert fort.“
Sido, der selbst in Nordsyrien geboren wurde, warnte: „Islamismus kann nur global bekämpft werden. Solange Islamisten in anderen Ländern weiterhin diplomatisch unterstützt werden, solange Erdoğans Drohnenterror gegen die Kurden, die gerade im Nahen Osten gegen den IS kämpfen, nicht verurteilt, sondern unterstützt wird, wird der IS-Terror weder in Solingen noch in Berlin oder Paris wirklich verhindert werden können.“
Foto: Junge türkische Frauen zeigen auf einer von der „Palästina Solidarität Österreich“ organisierten Demonstration in Wien im Mai 2021, zu der auch türkische Rechtsextremisten und Islamisten mobilisierten, die „Tauhid“-Geste. Der „Tauhid“-Finger, also der erhobene Zeigefinger der rechten Hand, ist nicht nur ein muslimisches Glaubensbekenntnis, sondern auch das Erkennungszeichen von Islamisten wie der Terrorgruppe IS © Presseservice Wien