In Istanbul fand eine Kundgebung der Werftarbeitergewerkschaft Limter-Iş statt, auf der die lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen scharf kritisiert und Zahlen zu Todesfällen auf der Arbeit aus dem Bericht des gewerkschaftsnahe Verbands für Arbeitsplatzsicherheit (İSİG) vorgestellt wurden.
„Wir können nicht überleben“
Auf der Kundgebung berichtete der Gewerkschaftssekretär Kanber Saygılı in einem Redebeitrag von den entwürdigenden und gefährlichen Arbeitsbedingungen und erklärte: „Lange Arbeitszeiten, die Arbeit für zwei soll eine Person allein machen, schlechtes Essen, fehlende Arbeitsschutzmaßnahmen, Beleidigungen durch die Chefs, all das prägt das Arbeitsleben hier. Wir arbeiten nicht, um zu leben, sondern sind gezwungen, für die Arbeit zu leben - für die gestiegenen Kosten für Miete, Lebensmittel, Bildung, Gesundheitsausgaben, Strom, Wasser und die Gasrechnung. Die offizielle Inflation liegt bei 15 Prozent, aber in Wirklichkeit hat die Inflation 35 bis 40 Prozent erreicht. Es geht nicht mehr weiter, wir können so nicht überleben.“
2.427 Tote in einem Jahr
Unter dem AKP-Regime werde versucht, die Arbeiterklasse durch Unsicherheit zu disziplinieren. In der Regierungszeit der AKP hätten insgesamt mindestens 27.000 Menschen ihr Leben durch mangelnde Sicherheit bei der Arbeit verloren. Die Situation habe sich mit der Pandemie noch verschlimmert, erklärte Saygılı: „In der Türkei findet das größte Verbrechen an den Gesundheitsbeschäftigten statt. Allein im Jahr 2020 starben insgesamt 2.427 Menschen an den Folgen von mangelndem Arbeitsschutz. Wir sprechen hier von Morden, die begangen wurden, um die politische und ökonomische Krise zu überwinden.“
226 Werftarbeiter gestorben
In den letzten acht Jahren seien außerdem mindestens 226 Werftarbeiter gestorben. Der Gewerkschafter führte aus: „Insbesondere in Tuzla, Aliağa und Altınova haben die Arbeitsmorde zugenommen. Viele Schiffsarbeiter sind auf offener See gestorben. Die meisten Todesfälle wurden durch Ertrinken, Zerquetschen, Abstürzen aus der Höhe, Explosionen, Verbrennungen, Herzinfarkte und Erschlagen durch Objekte verursacht. Das Subunternehmersystem schafft Arbeitsbedingungen, welche die Gefahr massiv erhöhen. Arbeiter auf Schiffen sind auf dem offenen Meer vollständig unregulierter Arbeit ausgesetzt. Der Sektor beschäftigt Arbeitnehmer aus der ganzen Türkei, aber auch aus anderen Ländern. Der Tod auf der Arbeit geht nicht nach nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit. Mit anderen Worten: Gemeinsamer Kampf braucht eine gemeinsame Organisierung.“
Forderungen der Gewerkschaften
Saygılı stellte die Forderungen vor, mit denen für ein Ende der Todesfälle gesorgt werden könne: „Die Verantwortlichen für die lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen, die Arbeitslagern um nichts nachstehen, und für die Arbeitsmorde, müssen vor Gericht gestellt werden. Es müssen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit getroffen werden. Es darf keine überlangen Arbeitszeiten geben. Jede Werft muss über Erste-Hilfe-Ausrüstung verfügen. Die Löhne der Arbeiter müssen rechtzeitig und in angemessener Höhe gezahlt werden. Die Versicherungsprämien, die nicht gezahlt wurden, müssen nachgezahlt werden. Schluss mit den Subunternehmen. Die Behinderungen der Gewerkschaftsarbeit müssen aufgehoben werden.
10.062 Arbeiterinnen und Arbeiter in fünf Jahren gestorben
Die statistischen Zahlen, die nur die Spitze des Eisbergs darstellen, sind bereits gravierend. So wurden im Jahr 2016 1.970, im Jahr 2017 2.006 im Jahr 2018 1.923, im Jahr 2019 1.736 und im Jahr 2020 2.427 Arbeiterinnen und Arbeiter zu Opfern des Profitmaximierungsstrebens, so Saygılı.