Şahin: Friede einziges Mittel gegen Verarmung

Ibrahim Şahin, Vorstandsmitglied der Kammer der Notare und Buchhalter, berichtet, dass nach offiziellen Angaben aus den Jahren 2018 und 2019 die nordkurdischen Provinzen die ärmsten Regionen in der Türkei sind.

Ibrahim Şahin ist Vorstandsmitglied der Kammer der Notare und Buchalter (SMMMO) in Wan. Er spricht über die ökonomische Situation in Kurdistan und der Türkei und erklärt, die Liste der ärmsten und am meisten von Arbeitslosigkeit betroffenen Provinzen werde von den nordkurdischen Städten Wan (türk. Van), Colemêrg (Hakkari), Reşqelas (Iğdır), Agirî (Ağrı), Qers (Kars), Erdêxan (Ardahan), Bedlîs (Bitlis) und Mûş angeführt. Dies geht aus einer Untersuchung der türkischen Statistikbehörde TÜIK hervor. Insbesondere die junge Mehrheitsbevölkerung in den Städten sei zu durchschnittlich 85 Prozent arbeitslos. Jedes Jahr müssten Zehntausende auf der Suche nach Arbeit und wegen der mangelnden Produktion in den Regionen in den Westen auswandern. Viele dieser Arbeiter*innen, insbesondere im Bau- und Landwirtschaftssektor, sind von rassistischen Angriffen und Arbeitsunfällen betroffen und nicht wenige sterben dabei.

Verarmung gezielte Politik des Staates“

Ibrahim Şahin bezeichnet die Verarmung als Konsequenz einer gezielten und bewussten Politik des Staates. Er kritisiert: „Insbesondere wird nichts für die Entwicklung und Produktion getan. In dieser Hinsicht sind diese Regionen wirklich arm. Das ist ein Faktor, der zur der zur hohen Arbeitslosigkeit unter jungen Erwachsenen beiträgt. Das zeigen auch die Zahlen der Statistikbehörde selbst. Warum sind diese Regionen verarmt? Diese Regionen sind gezielt verarmt worden. Obwohl es sich bei den Gebieten um Entwicklungsregionen handelt, werden die notwendigen Gesetze nicht herausgebracht. Wenn keine entsprechenden Gesetze erlassen werden, steigt auch die Armut weiter. Diese Gebiete müssen priorisiert werden. Der Staat muss die Menschen in der Region fördern. Aber die Entwicklungshilfe fließt in die Städte im Westen, in denen es ohnehin schon viel Produktion gibt. Insbesondere der Westen ist dabei von größter Bedeutung. Wenn die Unternehmen nicht die gewünschten Profite in der Region machen können, dann stellen sie die Produktion nach einer Weile ein. Deshalb ist die Armut auf einem Extremwert angekommen.“

Frieden, Demokratie und Menschenrechte sind die Lösung

Zu Möglichkeiten der Überwindung der Verarmung der Region sagt der Verbandsvertreter: „Der einzige Weg zu einer Lösung besteht aus Frieden, Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Die Türkei muss überall gleichberechtigt entwickelt werden. Das bedeutet auch, dass die armen Regionen in dieser Hinsicht priorisiert werden müssen. Wenn hier Demokratie und Menschenrechte geschaffen werden, dann glaube ich, werden die Menschen auch mehr investieren. Die hier produzierenden Unternehmen brauchen bessere Garantien. Wir haben große Flächen, die für Landwirtschaft und Viehhaltung genutzt werden. Die meisten dieser Gebiete liegen brach. Es müssen sich nicht alle mit der Entwicklung der Industrie beschäftigen. Jede Region muss nach ihren Besonderheiten entwickelt werden. Wir denken, hier könnte besser Landwirtschaft und Viehzucht betrieben werden.“

Şahin fordert, der Staat müsse insbesondere kleine Betriebe und Eigenproduktion in der Region fördern. Das würde dann auch zu Rückkehr der Menschen führen. Die Grundlage stellten jedoch Frieden, Demokratie und Menschenrechte dar.