Öffentlichkeit als Zumutung für das Gericht

Der Staatsschutzsenat am OLG Hamburg hat im Prozess gegen Kenan Ayaz erneut deutlich gemacht, dass er der Öffentlichkeit keinen großen Stellenwert einräumt und diese eher als Zumutung empfindet.

PKK-Prozess gegen Kenan Ayaz

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg ist am Freitag der Prozess gegen Kenan Ayaz fortgesetzt worden, leider wieder im Saal 288. Dieser Saal ist unter den Prozessbeobachter:innen berüchtigt, weil die Akustik sehr schlecht ist und zusätzlich dadurch beeinflusst wird, ob die sprechende Person bereit ist, sich um Verständlichkeit zu bemühen. Denn wenn die Richterinnen weit weg vom Mikro sind und dann auch noch undeutlich sprechen, ist die Akustik alles andere als gut. Hinzu kommt die Überlagerung durch andere Geräusche im Saal wie zum Beispiel der Dolmetscherin. Probleme, die man sachlich und technisch lösen könnte. Doch das Gericht hat sich darauf festgelegt, dass die Akustik in diesem Saal gut sei. Auch am Freitag hat das Gericht die Einwände der Zuschauer:innen, sie hätten die Verlesung nicht verstanden, nicht geglaubt oder als Belästigung interpretiert. Deshalb hat es sich geweigert, eine unverständliche Verlesung zu wiederholen.

Damit machte das Gericht einmal mehr deutlich, dass es der Öffentlichkeit keinen großen Stellenwert einräumt und diese eher als Zumutung empfindet. Beispielhaft steht dafür, dass das Gericht bei einer vorangegangenen Verhandlung einer Zuschauerin eine Geldstrafe gegeben hat, weil diese das Gericht angeblich ungebührlich angeredet hätte. Dann wurde damit angefangen, die Ausweise von allen Zuhörer:innen zu kopieren, weil bei einigen vergangenen Hauptverhandlungstagen kurz für Kenan Ayaz geklatscht worden ist. Außerdem wurden fast alle Beweise außerhalb der Verhandlung im Selbstleseverfahren gelesen, sodass die Zuhörer:innen nicht wissen, was darin steht. Und zum wiederholten Mal machte das Gericht gestern deutlich, dass es den Umstand, dass Personen im Zuhörerbereich nichts verstehen, irrelevant findet. Dieses Verhalten der Richterin kann nur so verstanden werden, dass ihr die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, die das Verfahren von Kenan Ayaz findet, gar nicht lieb ist.

Ansonsten geschah am gestrigen Prozesstag nicht viel. Es wurden Beschlüsse verkündet und Unterlagen verlesen, die der Generalbundesanwalt mitgebracht hatte. Es wurde ein Bericht verlesen und es wurden Fotos angeschaut, die Kenan Ayaz bei der Newrozfeier 2019 in Frankfurt zeigen sollen. Dabei war interessant, dass die Verteidigung anmerkte, dass diese Unterlagen aus einem anderen Verfahren stammen, nämlich dem gegen Özgür Aydin. Die Verteidigung sagte, das selektive Heraussuchen von Bildern und anderen Aspekten, die Kenan Ayaz betreffen sollen, sei beispielhaft dafür, dass das Bundeskriminalamt in seinen Akten nach belastenden Hinweisen auf Kenan Ayaz suche, während dieser nicht die Möglichkeit habe, nach entlastenden Umständen in den entsprechenden Akten zu forschen. Darauf erwiderte der Generalbundesanwalt, Kenan Ayaz müsse doch am besten wissen, was an der Anklage nicht stimmen würde. Dementsprechend müsse er ausführen, was nicht stimmen würde, und doch sagen, was ihn entlasten kann. Gegen diese Auffassung protestierte die Verteidigerin Antonia von der Behrens scharf und verwies auf das Schweigerecht des Angeklagten.

Die Verhandlung geht am 24. April weiter. Das Gericht hat angekündigt, dann über den Antrag der Verteidigung zu entscheiden, dass den Informanten des Verfassungsschutzes schriftliche Fragen gestellt werden sollen.

Weitere anberaumte Termine sind: 24.4., 2.5. 31.5. ab 13 Uhr, 6.6., 19.6. bis 13 Uhr, 27.6., 2.7., 9.7., 11.7., 17.7., 22.7. und 19.8. Der Prozess findet im 1. Stock des OLG Hamburg am Sievekingplatz 3 statt, entweder in Saal 237 oder 288. Die Verhandlungen beginnen in der Regel um 9:30 Uhr.

Postadresse und Spendenkonto

Auf der Seite kenanwatch.org werden Informationen in den Sprachen Griechisch, Englisch und Deutsch über den Prozess und die Proteste auf Zypern und in Deutschland angeboten. Kenan Ayaz freut sich über Post. Briefe können auch in anderen Sprachen als Kurdisch oder Türkisch geschrieben werden, da eine Übersetzung gewährleistet ist. Zu beachten ist die Schreibweise des Behördennamens „Ayas“, damit die Briefe auch zugestellt werden.

Kenan Ayas
Untersuchungshaftanstalt Hamburg
Holstenglacis 3
20355 Hamburg

Spendenkonto:
Rote Hilfe e.V. OG Hamburg
Stichwort: Free Kenan
IBAN: DE06200100200084610203

Foto: Verhandlung am 17. April 2024 (c) Alekos Michaelides Phileleftheros