Die in Südafrika ansässige Kurdish Human Rights Action Group fordert Amnesty International zum Handeln gegen die Isolation des kurdischen Vordenkers auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali auf. Die Organisation sei eine geachtete und viel zitierte Stimme, wenn es um Fragen der Menschenrechte geht, heßt es in einer Mitteilung vom Donnerstag. „Wir würdigen besonders ihren Einsatz gegen die Umsetzung des gegen Abdullah Öcalan 1999 nach seiner Entführung verhängten Todesurteils und die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei sowie frühere Maßnahmen gegen seine unmenschlichen und illegalen Haftbedingungen. Da diese aber nach wie vor Anwendung finden, erfordert es ein klares Zeichen dieser Organisation, damit das gegen Öcalan praktizierte Unrecht aufhört und er seine ihm zustehenden Rechte durchsetzen kann.“
In einem Appell an Amnesty International, der seit heute auf der Webseite der Aktionsgruppe einzusehen ist, wird auf die völlige Funkstille um den seit 25 Jahren auf Imrali inhaftierten Öcalan verwiesen. Seit 2019 darf der 74-Jährige seinen Rechtsbeistand nicht mehr konsultieren, den letzten Familienbesuch erhielt er 2020. Trotz hunderten Anträgen auf Besuchsgenehmigungen bei der türkischen Justiz und Regierung blieben alle Initiativen seines Verteidigungsteams zur Durchbrechung der Isolation ergebnislos. Das letzte Lebenszeichen von Öcalan war ein aus unbekannten Gründen unterbrochenes Telefongespräch mit seinem Bruder Mehmet am 25. März 2021. Seither unterliegt er einer totalen Incommunicado-Haft.
Die südafrikanische Aktionsgruppe bezeichnet diesen Umstand als „tägliche Todesstrafe“. Dies sei kein Geheimnis, sondern vielmehr türkische Staatsräson. Der Appell erinnert in diesem Zusammenhang an die Debatten zur Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei, als genugtuend zu hören war, Öcalan würde „nicht nur einmal, sondern jeden Tag“ getötet. Der PKK-Begründer werde einem „Regime der Rechtlosigkeit“ unterworfen und leide unter der permanenten Aussetzung aller Gesetze und Menschenrechtskonventionen. Dabei könnten der Europarat (CoE), dem auch die Türkei angehört, und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) diesem Treiben ein Ende setzen.
„Beide Institutionen sind gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten internationale Rechtsnormen einhalten.“ Im Fall Öcalan kämen aber weder der Europarat noch das CPT diesen Pflichten nach. Die Aktionsgruppe sieht geopolitische Erwägungen und Interessen als Grund für die Ignoranz des Unrechts, das dem kurdischen Vordenker auf Imrali täglich widerfährt. Die Isolation betreffe aber nicht nur Öcalan, sondern auch alle Kurdinnen und Kurden. Die kurdische Gesellschaft werde kollektiv dafür bestraft, weil sie sich der Philosophie des PKK-Begründers verbunden fühle. Dabei sei die Frage der Freiheit von Abdullah Öcalan nicht nur eine individuelle Menschenrechtsfrage, betont die Initiative. Bedingungen, in denen er frei leben und arbeiten kann, könnten einen Weg ebnen, den vierzig Jahre alten bewaffneten türkisch-kurdischen Konflikt durch einen Friedensprozess zu beenden.
„Öcalan wird von Millionen von Kurdinnen und Kurden als ihr legitimer politischer Repräsentant angesehen und war auch der wichtigste Gesprächspartner während des Dialogprozesses zwischen der kurdischen Bewegung und dem türkischen Staat von 2013 bis 2015, der auf eine friedliche Lösung der Kurdistan-Frage abzielte. Am 21. März 2013, als Öcalan diesen Prozess mit der Ankündigung eines einseitigen Waffenstillstands einleitete, begrüßte Amnesty International diese Entwicklung und erklärte, dass ‚die Achtung der Rechte im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen muss‘. Die anhaltenden Verletzungen der Grundrechte von Herrn Öcalan stellen einen Angriff auf das kurdische Volk und einen entscheidenden Schritt zur Beseitigung der Möglichkeit, Frieden zu erreichen, dar und dürfen von der internationalen Gemeinschaft nicht toleriert werden.“ Amnesty International komme bei der Lösung dieses „gordischen Knotens“ eine entscheidende Rolle zu.
Der Appell kann auf der Webseite https://khrag.org/urgent-call-2024 unterzeichnet werden.
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