Immer wieder versucht die Türkei weltweit Oppositionelle durch Haftbefehle per Interpol festnehmen zu lassen. Interpol hat seit dem Jahr 2014 bei 130 von ihr verbreiteten Fahndungsaufrufen diese wieder wegen Missbrauch zur politischen Verfolgung zurückziehen müssen. Der europapolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, Andrej Hunko, geht davon aus, dass „ein Großteil dieser zurückgenommenen Fahndungen sich auf die Türkei, die Ukraine und Spanien bezieht. Die Länder sind bekannt dafür, dass sie Interpol zur Verfolgung der Opposition benutzen.“
In mindestens fünf Fällen erhält das Bundeskriminalamt den Haftbefehl trotz Rücknahme von Interpol aufrecht. Die Bundesregierung weigert sich „aus Gründen des Staatswohls“ die Staaten zu nennen, deren Ersuchen gescheitert sind. Die „Vertraulichkeit im Fahndungsverkehr“ werde gefährdet. Daher ist es kaum zu ermitteln, um welche Länder es sich hierbei handelt.
Laut der aktuellen Kleinen Anfrage Hunkos hat das Bundeskriminalamt seit dem 15. Juli 2016 848 Fahndungsersuchen von den türkischen Behörden erhalten. Davon sind 791 Festnahmeersuchen (Red Notice) und 57 Aufenthaltsermittlungen (Blue Notice). Das BKA ist für die Prüfung der Fahndungsersuchen zuständig. Bei wie vielen Fahndungsersuchen Interpol nachträglich um die Rücknahme wegen politischer Verfolgung ersucht hat, bleibt aufgrund der möglichen Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen das Geheimnis der Bundesregierung.
Andrej Hunko kommentiert diesen Vorgang: „Einige der Fahndungen wurden durch Interpol wieder zurückgenommen, auch die nationalen Zentralstellen wurden zur Löschung aufgefordert. Mir ist bekannt, dass das Bundesamt für Justiz und das Auswärtige Amt solche annullierte Ausschreibungen trotzdem als nationale Haftbefehle in das deutsche INPOL-System übernehmen. Es ist nicht hinnehmbar, dass hierzu keine Statistiken geführt werden. Ich will wissen, wer in Deutschland zur Festnahme gesucht wird, obwohl Interpol vor politischer Verfolgung warnt.“
35 Fälle politischer Inhaftierung deutscher Staatsbürger in der Türkei
Der Bundesregierung sind seit dem 15. Juli 2016 35 Inhaftierungen deutscher Staatsbürger*innen in der Türkei bekannt. 16 von ihnen seien nur vorübergehend in die Türkei gereist. Nach Angaben der Bundesregierung befinden sich sieben Personen aus diesem Kreis immer noch in der Türkei in Haft.
80.000 weitere Fahndungsersuchen werden von Interpol überprüft
Interpol hat weitere 80.000 ältere Fahndungsersuchen auf Missbrauch zur politischen Verfolgung überprüft. Die Bundesregierung deckt darüber jedoch den Mantel des Geheimnisses, um außenpolitischen Konsequenzen zu entgehen.