74 Jahre antifaschistischer Widerstand der VVN-BdA

Zu 74 Jahren antifaschistischer Arbeit veröffentlicht die Initiative Geschichte & Widerstand ein Grußwort an die VVN-BdA. In diesem betont die Initiative die Wichtigkeit antifaschistischer Erinnerungskultur und ruft zur Unterstützung der Vereinigung auf.

Die Initiative Geschichte & Widerstand macht anlässlich des 74-jährigen Bestehens der „Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes“ (VVN-BdA) auf die Wichtigkeit antifaschistischer Erinnerungskultur aufmerksam und richtet ein Grußwort an die Organisation:

Im Jahr 1947 gründeten überlebende Widerstandskämpfer*innen und Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes. Ziel war es, der Toten zu gedenken, Entschädigung für die Opfer zu fordern, die Naziverbrechen aufzuklären und die Täter*innen zu verurteilen. Eine lebendige Erinnerungskultur, Gedenkveranstaltungen, Aufklärungsarbeit, Zeitzeugengespräche, Organisation von Protest gegen faschistische Strukturen, Analyse heutiger faschistischer Ideologien und vieles mehr zeichnet die VVN-BdA bis heute als essentiellen Bestandteil antifaschistischer Arbeit aus.

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

(Aus dem „Schwur von Buchenwald“, den die VVN-BdA als Vermächtnis in ihr Selbstverständnis aufgenommen hat)

Schon wenige Jahre nach der Gründung wurde die Vereinigung angefeindet und denunziert, von einem System, das Täter*innen aus dem NS-Regime ungestraft weiter und wieder in staatlichen Behörden und Institutionen arbeiten und einstellen ließ. So wurde zum Beispiel dem vorsitzenden Richter Fritz Werner in einem der vielen Verbotsverfahren gegen die VVN 1962 eine NS-Vergangenheit nachgewiesen, wodurch das Verfahren scheiterte und nicht wieder aufgenommen wurde. Parteien wie die SPD riefen ihre Mitglieder auf, die VVN zu verlassen, da dieser eine ideologische Nähe zum Kommunismus nachgesagt wurde. Neben dem Protest gegen die Remilitarisierung und die Rückkehr von NS-Verbrechern in Ämter der BRD war der Aufbau von internationalen Kontakten zwischen überlebenden Widerstandskämpfer*innen gegen den Faschismus ein wichtiges Anliegen der Vereinigung.

Nachdem die VVN auf das Erstarken der neo-nazistischen Bewegung in den 70er Jahren mit der Erweiterung zum „Bund der Antifaschisten“ reagierte, öffnete sich die Organisation für nachfolgende Generationen von Antifaschist*innen und erreichte somit eine neue Ausrichtung und eine Vielzahl von neuen Mitgliedern. Sie versteht sich heute als spektren- und parteiübergreifende Organisation, die unterschiedliche Annäherungen zum Antifaschismus vereint und kein von einer einheitlichen Weltanschauung geprägtes Verständnis von Faschismus hat. Dieser Ansatz macht die Besinnung auf das gemeinsame Anliegen trotz einer großen politischen Vielfalt möglich. Er entsprang aus der historischen Erfahrung des Faschismus und wurde von dem verstorbenen ehemaligen Vorsitzenden Peter Gingold wie folgt ausgedrückt:

Unsere Eltern haben versagt, denn sie haben nicht zusammengefunden, um den Faschismus rechtzeitig zu bekämpfen. Dafür gibt es nur eine Entschuldigung: sie wussten nicht, was Faschismus an der Macht bedeutet. Für uns gilt diese Entschuldigung nicht.“

Die VVN-BdA spielte für viele von uns eine wichtige Rolle in der Bildung einer antifaschistischen Haltung. Gerade als Internationalist*innen sehen wir starke Parallelen zwischen der bedeutenden Arbeit der VVN-BdA und der kurdischen Freiheitsbewegung. Das Gedenken an die gefallenen antifaschistischen Widerstandskämpfer*innen, ihre Biografien und Gespräche mit Zeitzeug*innen stärken und ermutigen uns, in ihrem Sinne weiter zu kämpfen. Und im gleichen Sinne tragen wir das Feuer der Gefallenen im Kampf für ein freies Kurdistan in unseren Herzen weiter. Ihre Geschichten begleiten uns bei jedem Wort, Schritt und Kampf gegen den Faschismus. Und das Bewusstwerden über die eigene, widerständige Geschichte, wie es die VVN-BdA vorantreibt, ist auch die Quelle des Widerstands der kurdischen Freiheitsbewegung gegen den türkischen Faschismus.

Antifaschistisch zu denken und zu handeln erkennen wir, genau wie die VVN-BdA, als Auftrag und sehen uns in der Tradition des internationalen antifaschistischen Widerstands. Dies als unabdingbaren Bestandteil in unserer politischen Praxis umzusetzen, heißt für uns, in Deutschland, in Kurdistan und weltweit den Faschismus zu besiegen und ein freies Leben aufzubauen.

Bei der Organisation von Demonstrationen, Protesten und Bildungsveranstaltungen schätzen wir die VVN-BdA als solidarischen Partner und verurteilen die politische Diskreditierung durch den Staat, der durch die Aberkennung der Gemeinnützigkeit notwendige antifaschistische Arbeit sabotiert. Das System wird immer wieder versuchen, Organisationen des Widerstandes zu verbieten und zu verfolgen, so wie es auch versucht, die kurdische Bewegung zu kriminalisieren. Wir stellen uns entschieden dagegen und rufen zur Solidarität mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten auf!

In diesem Sinne gratulieren wir euch, der VVN-BdA, zu 74 Jahren wertvolle antifaschistische Arbeit. Wir rufen alle dazu auf, dieser Arbeit ihre entsprechende Bedeutung zu geben. Besuchen wir gemeinsam die Gedenkstätten. Beteiligen wir uns an Veranstaltungen mit Zeitzeug*innen und Rundgängen in unseren Städten zur Geschichte des Faschismus und Antifaschismus und nutzen wir die Analysen der Vereinigung für unsere politische Bildung. Lernen wir die Biographien all derer kennen, die gegen den Faschismus Widerstand leisteten und mit der VVN-BdA bis heute weiter kämpfen. Werden wir aktive Mitglieder oder spendet, um der VVN-BdA weiterhin unabhängige, antifaschistische Arbeit zu ermöglichen.

Dass nie wieder geschehe, was gestern geschah! Unsere Gefallenen sind unsterblich und leben in unserem Kampf weiter.


Die Initiative Geschichte & Widerstand setzt sich auf der Grundlage der Philosophie Abdullah Öcalans und der kurdischen Freiheitsbewegung mit der Geschichte in Mitteleuropa von den Stammesgesellschaften bis zur heutigen Zeit auseinander. Einen besonderen Schwerpunkt legt sie dabei auf die Geographie des heutigen Deutschlands. Im Fokus stehen vor allem Bewegungen, die für eine freie Gesellschaft kämpften. In den bisherigen Arbeiten der Initiative ging es unter anderem um die häretischen Bewegungen, um die Bauernaufstände und Hexenverfolgung im 16. Jahrhundert, um den antifaschistischen Widerstand in Deutschland, die Stadtguerilla, als auch um einzelne Persönlichkeiten wie Rosa Luxemburg oder Walter Benjamin. Die Initiative verfolgt dabei das Ziel, ein Bewusstsein für den widerständigen Teil der Geschichte zu schaffen und aus diesem Bewusstsein heraus den Kampf im Aufbau für eine freie Gesellschaft zu stärken.