1. Mai in Nürnberg: „Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben“

Der 1. Mai in Nürnberg war geprägt vom Schatten der Pandemie und zahlreichen Auflagen. Doch die linken und linksradikalen Gruppen und Organisationen ließen sich den Tag des Arbeiterkampfes nicht nehmen.

Der 1. Mai in Nürnberg war geprägt vom Schatten der Pandemie und zahlreichen Auflagen. Doch die linken und linksradikalen Gruppen und Organisationen ließen sich den Tag des Arbeiterkampfes nicht nehmen und bewiesen, dass kreative Aktionen auch unter Einhaltung von Abstand und Infektionsschutz möglich sind – und zudem noch Spaß machen können.

Ebenso wie der traditionelle Umzug des DGB entfiel auch die revolutionäre 1.-Mai-Demo. Stattdessen versammelten sich an verschiedenen Orten in Nürnberg Menschen zu Fuß oder auf Fahrrädern auf Kundgebungen „mit Abstand“ oder Spaziergängen aus „triftigen Gründen“. An vielen Orten fanden kreativ-bunte Aktionen statt, überall im Stadtgebiet sah man Transparente und Plakate, die ein breites Themenspektrum abdeckten. Neben klassischen Forderungen wie „Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich“ von der Linkspartei und DIDF und antifaschistischen Positionen war die Parole „May the rich pay for Covid-19“ die linksradikale Antwort auf die zu erwartenden ökonomischen Einbrüche infolge der Corona-Krise. Das Bündnis „Ende Gelände“ beteiligte sich mit Forderungen nach Klimagerechtigkeit. Aktivist*innen der „Seebrücke“ erinnerten an das tödliche EU-Grenzregime und verlangten „LeaveNoOneBehind“. Internationalist*innen zitierten Sakine Cansız mit „Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben“.

Das Thema der Interventionistischen Linken (iL) war auch dieses Jahr Feminismus und Care-Arbeit. Eine Sprecherin begründete dies: „Es gibt keine wichtigere Arbeit als Care-Arbeit, sei sie bezahlt oder unbezahlt. Und weil Care-Arbeit nun einmal zum allergrößten Teil von Frauen übernommen wird, kann der 1. Mai nur ein feministischer 1. Mai sein. Kein Arbeitskampf ohne Feminismus, kein Feminismus ohne Arbeitskampf“. Mit einem Lautsprecherwagen fuhren vier Aktivist*innen durch die Stadt und prangerten lautstark und kämpferisch die patriarchalen Strukturen in der kapitalistischen Moderne an. Entlang der Wegstrecke schmückten zahlreiche Transparente, Pappfiguren und -schilder mit feministischen Forderungen den öffentlichen Raum. Viele „Spaziergänger*innen“, die immer wieder die Wagenstrecke kreuzten, waren der Meinung, dies sei der phantasievollste und kreativste 1. Mai in Nürnberg gewesen.

Polizei und Staatsschutz waren im Vorfeld offensichtlich sehr nervös. Schon am Vorabend begannen Polizeibeamte, einzelne Plakate und Transparente einzusammeln bzw. diese zu „bewachen“. Die Organisator*innen fragten sich, was dies mit Infektionsschutz zu tun habe. Das Virus der Kapitalistischen Moderne dürfe sich weiterhin ungehindert ausbreiten, Maßnahmen dagegen wie gesellschaftliche Organisierung und Solidarität würden unterbunden.

Alle dezentralen Spaziergänge, Kundgebungen und Aktionen am 1. Mai wurden dann auch von einem ungewöhnlich großen Polizeiaufgebot begleitet. Wiederholt wurde auf Mindestabstände hingewiesen, deren Einhaltung den Beamten vor Ort jedoch auch nicht immer gelang. Per Twitter meldete sich das polizeiliche Social-Media-Team: „Infektionsschutz ist bei Versammlungen sehr wichtig. Deshalb kann ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Das Tragen einer Maske ist aber nicht gleichzusetzen mit Vermummung. Beim Tragen von Masken gilt, dass die Identitätsfeststellung dadurch nicht verhindert werden darf.“ Dabei kam bei manchen Aktivist*innen die Frage auf, ob Masken mit Symbolen zum Beispiel der kurdischen Freiheitsbewegung in diesen Corona-Tagen konfisziert werden dürfen. Infektionsschutz gegen Vereinsgesetz? Was hat Vorrang? Und was empfehlen die Virologen? Nichts scheint mehr sicher in diesen Corona-Zeiten.