Einstufung als „Verdachtsfall“: Solidarität mit Ende Gelände

Der Verfassungsschutz hat Ende Gelände als „linksextremistischen Verdachtsfall“ eingestuft. Die Klimagerechtigkeitsbewegung wertet dies als „weiteren Beleg für die fehlgeleitete Arbeit“ des deutschen Inlandsgeheimdienstes.

„Beleg für fehlgeleitete Arbeit des VS“

„Die Entscheidung des Verfassungsschutzes ist absurd und das neueste Beispiel einer zunehmenden Kriminalisierung der Klimabewegung“, sagte Bündnissprecherin Jule Fink am Donnerstag. „Als Ende Gelände verteidigen wir die Grundfesten der Verfassung, indem wir uns täglich für den Erhalt unser aller Lebensgrundlagen einsetzen und zum Beispiel fordern, dass sich die Bundesregierung an das Urteil des Verfassungsgerichtes zum Klimaschutz hält. Stattdessen sabotiert sie unsere Rechte auf ein würdevolles Leben auch in Zukunft und ist mit ihrer Politik auch dafür verantwortlich, dass schon heute hunderttausende Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben. Unsere Aktionen sind nicht extrem, sie sind gelebter Verfassungsschutz.“

Zuspruch von NGOs für Ende Gelände

Das sehen auch andere Verbände sehr ähnlich und solidarisieren sich mit Ende Gelände. Rückenwind bekommt das Bündnis etwa vom Südwind-Institut, welches sich für gerechtere wirtschaftliche und soziale Strukturen und verbindliche Verpflichtungen für Unternehmen einsetzt: „Derzeit arbeitet unser Institut gegen Shrinking Spaces für die Zivilgesellschaft auf internationaler Ebene“, sagte Ulrike Dufner, Geschäftsführerin von Südwind, in einer Erklärung. „Auch in Deutschland gibt es Tendenzen, zivilgesellschaftliche Initiativen zu kriminalisieren. Demokratie benötigt aber eine lebendige und vielfältige Zivilgesellschaft – Aktionen zivilen Ungehorsams wie von Ende Gelände zu kriminalisieren und in den Bereich der Verfassungsfeinde zu rücken, halten wir für skandalös“, betonte sie.

Freie Hand für Observation

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am Dienstag die Einstufung von Ende Gelände bekannt gegeben und dies mit einer „Verschärfung der Aktionsformen bis hin zu Sabotage“ begründet. In Grundsatzpapieren des Bündnisses werde ein „Kampf für einen Systemwandel“ propagiert oder eine Abschaffung der Polizei gefordert. Auch habe sich Ende Gelände an den Protesten gegen die Räumung von Lützerath im vergangenen Jahr beteiligt, bei denen „massiv“ Polizeibeamte angegriffen worden seien. Damit kann der Inlandsgeheimdienst zur Beurteilung der Aktivitäten nun auch nachrichtendienstliche Mittel gegen die Gruppe nutzen, wie etwa Observation oder Informanten.

EU-Abgeordnete Rackete: Einstufung absurd

Die Naturschutzökologin Carola Rackete, die unlängst für die Linkspartei ins Europaparlament eingezogen ist, nannte die Einstufung von Ende Gelände als extremistischen Verdachtsfall „absurd“. Die Bewegung setze sich für den Naturschutz und eine demokratische Gesellschaft ein. Das als „extrem“ einzustufen, rühre wohl eher daher, dass die Aktionen deutsche Energiekonzerne herausforderten, vermutet Rackete. „Der Verfassungsschutz ist aber nicht dazu da, die Profite von Konzernen abzusichern.“

Der Verfassungsschutz ist bekannt dafür, linke und klimapolitisch aktive Gruppen ins Visier zu nehmen. Bereits 2020 hatte der Berliner Verfassungsschutz die Ortsgruppe Berlin als linksextremistisch eingestuft. Auch weitere klimapolitische Gruppen werden seit Jahren im Verfassungsschutzbericht gelistet. David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte nannte die Einstufung „hanebüchen“: Wer Kritik am Staat übe, auch radikale, dürfe nicht vom Verfassungsschutz „als extremistisch diffamiert werden“. Das Grundgesetz sei wirtschaftspolitisch neutral, zur freiheitlichen Grundordnung gehöre nur der absolute Kern der Verfassung – „nicht der Staat als solcher oder gar seine konkreten bestehenden Institutionen.“ Auch Benjamin Hersch, Vorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), warf den Behörden vor, „ihr Nichtstun gegen die Klimakatastrophe repressiv absichern zu wollen“.

Ende Gelände kündigte an, an Aktionen des zivilen Ungehorsams festhalten zu wollen. „Wir bleiben dabei: Protest und auch ziviler Ungehorsam gegen offensichtliche Notstände wie die globale Klimakrise muss möglich sein in einer Demokratie“, sagte Jule Fink. „Wir müssen uns hier echt nochmal bewusst machen: Was wäre, wenn Menschen nicht für den 8-Stunden-Tag gestreikt hätten oder wenn die Frauenrechtsbewegung nicht für ihr Recht zu wählen gekämpft hätte? Nur durch zivilen Ungehorsam sind die Rechte, die wir heute haben, erkämpft worden.“

Bekannt für Massenaktionen des zivilen Ungehorsams

Ende Gelände ist seit 2015 dafür bekannt, Massenaktionen des zivilen Ungehorsams einzusetzen, um Klimaschutz einzufordern. Angefangen hatten die Proteste in den Kohlerevieren im Rheinland und in der Lausitz. Zuletzt hatte sich das Bündnis thematisch breiter aufgestellt und sich beispielsweise gemeinsam mit den Bürgerinitiativen auf Rügen gegen das neue LNG-Terminal gestellt und an den Mobilisierungen in die Grünheide gegen die Tesla-Fabrik teilgenommen.

Titelfoto: Freundeskreis Videoclips