Etwa 2.000 Menschen sind zu den bevorstehenden Aktionstagen gegen fossile Infrastruktur in das Camp von Ende Gelände in Brunsbüttel angereist. Damit sind die Kapazitäten ausgeschöpft, das Zeltlager ist voll. Das Aktionsbündnis war am Freitagmittag sogar gezwungen, einen Anreisestopp zu erlassen, da im Rahmen des ausgearbeiteten Hygienekonzept keine weiteren Plätze zugelassen sind. Ende Gelände ruft zur Selbstorganisierung von Schlafplätzen in oder um Hamburg auf.
Das Programm im Camp ist derweil in vollem Gange. Bei einer Pressekonferenz kündigten Ende Gelände und das Migrantische und Schwarze Bündnis Antikoloniale Attacke Aktionen massenhaften zivilen Ungehorsam in Brunsbüttel und Hamburg an. In Brunsbüttel richten sich die Proteste gegen ein geplantes Fracking-Gas-Terminal, das den Transport von flüssigem Erdgas, auch LNG (Liquefied Natural Gas) genannt - nach Deutschland ermöglichen soll.
Klimakrise bedeutet Leid und Zerstörung
Auch internationale Aktivist:innen aus den Abbaugebieten des Fracking-Gases zeigten sich empört über die Pläne. Das Bündnis Antikoloniale Attacke rückte bei der Pressekonferenz die Kontinuitäten neokolonialer Ausbeutung in den Fokus und kündigte Aktionen gegen imperialistische Institutionen in Hamburg an. Joli Schröter, Sprecherin von Ende Gelände, erklärte: „Die Flutkatastrophe hat uns noch einmal vor Augen geführt, was für die Menschen im globalen Süden schon lange bittere Realität ist. Die Klimakrise bedeutet Leid und Zerstörung. Wer jetzt noch ein Fracking-Gas-Terminal baut, hat seinen moralischen Kompass komplett verloren. Gas ist ein Brandbeschleuniger der Klimakrise, weil zusätzlich zum CO2 auch das noch schädlichere Methan freigesetzt wird. Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge! Statt neue fossile Infrastruktur, brauchen wir den sofortigen Ausstieg aus Gas, Kohle und Öl. Die Gasindustrie kann sich merken: Wir sind das Investitionsrisiko.”
Bau von LNG-Terminal torpediert Ausstieg aus fossilen Energieträgern
Auch Norbert Pralow von der lokalen Bürgerinitiative gegen das Terminal aus Brunsbüttel stellte klar: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die klimaschädliche Wirkung von Flüssigerdgas sind nicht mehr zu ignorieren. Der existenziell notwendige Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist de facto auch beschlossene Sache. Durch den Bau dieses LNG-Terminals würde dieser Ausstieg torpediert werden. Das ist nicht hinnehmbar und deshalb werden wir unerbittlich und mit vereinten Kräften gegen das Projekt kämpfen.”
Projekt gar nicht genehmigungsfähig
Die Deutsche Umwelthilfe lehnt das fossile Projekt ebenfalls ab. Constantin Zerger erklärte: „Ein Fracking-Gas-Terminal in Brunsbüttel wäre eine massive klimapolitische Fehlentscheidung und würde unsere Klimaschutzziele in noch weitere Ferne rücken. Zudem ist das Projekt unnötig für die Energieversorgung und aus Gründen des Klimaschutzes und des Störfallrechts am geplanten Standort auch gar nicht genehmigungsfähig. Wir fordern daher den unverzüglichen Stopp der Planungen.”
Verbindungen von Ökozid, Extraktivismus und rassistischen, kolonialen Kontinuitäten
Rokaya Hamid von der Antikolonialen Attacke zeichnete ein größeres Bild von den kolonialen Ungerechtigkeiten: „Wir müssen die Ursache unseres Reichtums erkennen: Gestohlene Ressourcen von indigenen Menschen aus der ganzen Welt und Umweltzerstörung. Es gibt keine Klimakrise ohne weiße Vorherrschaft. Wir müssen die Verbindungen von Ökozid, Extraktivismus und rassistischen, kolonialen Kontinuitäten verstehen. Dieses Wochenende schlagen wir zurück.”
Live-Schaltungen aus Texas
Elida Castillo konnte direkt aus Texas von den Zerstörungen, die Fracking anrichtet, berichten: „Die Kinder können draußen nicht mehr spielen. Kinder bekommen Leukämie. Alles ist vergiftet. Es bricht mir das Herz, dass ich um die halbe Welt reisen muss, um gehört zu werden. Aber die Konzerne, die unsere Nachbarschaften fracken sind europäisch.” Sie fügte hinzu: „Wir hätten niemals gedacht, dass so etwas unserer Community passieren könnte. Wir haben gesehen, wie es uns passierte, wie es anderen passierte. Die Konzerne werden nicht aufhören bis sie den letzten Tropfen Öl und Gas gewonnen haben.”
Dr. Christopher Basaldú, der Esto'k Gna ist, ein Mitglied des Carrizo Comecrudo Stamms aus Texas, erklärte: „Kein Konzern hat jemals mit unserem Stamm über das LNG Terminal gesprochen, dass sie auf unserem Territorium bauen. Die Pipepelines, die Fracking-Anlagen, die Exportterminals, sie zerstören das Wasser und die Natur: Alles für den europäischen Konsum." Außerdem merkte er an: "Letztendlich geht es um die Missachtung der Menschheit und der Natur. Sehr wenige Menschen treiben die Zerstörung des gesamten Lebens auf dem Planeten voran.”
„Die Wärme, die viele Menschen in Europa zum Heizen ihrer Häuser verwenden, geht auf Kosten der Menschen in meinem Land und im globalen Süden!”, fügte Esteban Servat, Aktivist aus Argentinien, hinzu. Im Anschluss an die Pressekonferenz bereiteten sich die Aktivist:innen bei einem Training auf ihre geplanten Aktionen vor.
Demonstration am Samstag beginnt um 12 Uhr
Die große Demonstration am Sonnabend soll um 12 Uhr beginnen. Dann wollen die Terminal-Gegner:innen vom Bürgerpark zum Elbehafen ziehen und die Zufahrten zum Chemie-Park mit gezielten Aktionen blockieren. Im Anschluss ist in der Nähe eine Kundgebung am künftigen Standort des geplanten LNG-Terminals vorgesehen. Die Polizei hat derzweil in Brokdorf (Kreis Steinburg) ein Containerdorf eingerichtet und ist nach eigenen Angaben mit mehreren Hundertschaften aus Schleswig-Holstein, anderen Bundesländern sowie der Bundespolizei vor Ort.