Weiterer indischer Arbeiter stirbt auf Europas Plantagen

Erneut ist ein indischer Arbeiter aufgrund der katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den Gemüseplantagen in Italien ums Leben gekommen. Der 54-Jährige erlitt aufgrund von Hitze einen Herzinfarkt.

Arbeitsbedingungen kosten Leben

Europa hat seine Kolonien ins Innere verlegt. Um Discounterpreise für Gemüse und Obst zu halten, werden diese Lebensmittel in Ländern wie Italien und Spanien unter grausamen, an Sklaverei erinnernde Arbeitsbedingungen produziert. Diese Arbeitsbedingungen kosten Leben. Nach Angaben der Polizei von Latina bei Rom hat es einen neuen Todesfall gegeben. Der 54-jährige Plantagenarbeiter Dalvir Singh erlag am Freitag einem Herzinfarkt, nachdem er mehrere Stunden bei Temperaturen um die 40 Grad arbeiten musste.

Erinnerung an Satnam Shingh

Der Fall ruft Erinnerungen an den grausamen Tod von Satnam Singh vor etwa einem Monat wach. Satnam Singh war beim Arbeiten auf einem Melonenfeld in eine Verpackungsmaschine geraten, die ihm den Arm abgerissen hatte. Der Plantagenbetreiber warf den Arm in einen Pappkarton, packte Singh und legte ihn vor seiner Haustür ab, wo dieser verblutete. Der Plantagenbesitzer und sein Aufseher befinden sich mittlerweile unter Mordverdacht in Haft.

Sklavenarbeiter in Norditalien

Mitte Juli konnte die Polizei in Norditalien 33 Sklavenarbeiter in der norditalienischen Provinz Verona befreien. Statt wie versprochen eine Arbeit und ein besseres Leben zu erhalten, waren die 33 indischen Staatsbürger von den Plantagenbesitzern in baufälligen Wohnungen eingesperrt worden und mussten für einen Hungerlohn sieben Tage die Woche, zehn bis zwölf Stunden täglich, härteste Arbeit zu einem Stundenlohn von vier Euro verrichten. Auch ihre Pässe waren bei ihrer Ankunft in Italien beschlagnahmt worden. Der „Lohn“ wurde zum größten Teil von den Plantagenbesitzern unter dem Vorwand, diese hätten Schulden bei ihnen, einbehalten. Bei der Razzia wurde bei den Betreibern der Plantage Beträge von einer halben Million Dollar sichergestellt. Die 33 Männer hatten jeweils 17.000 Euro als Gegenleistung für eine saisonale Arbeitserlaubnis und eine Arbeit gezahlt. „Jeden Morgen stiegen die Arbeiter in mit Planen abgedeckte Fahrzeuge, in denen sie sich zwischen Gemüsekisten versteckten, bis sie zur Arbeit nach Verona fuhren“, berichtete die italienische Polizei.

Kein italienisches Phänomen

Dass solche brutalen Ausbeutungsformen nicht auf den europäischen Süden beschränkt sind, zeigen die Zustände in der deutschen Fleischindustrie. Erinnert sei hier an den Tönnies-Skandal 2020, dort wurden ebenfalls Arbeiter:innen, vorwiegend aus Osteuropa, in einem perfiden System von Subunternehmen zu zwölf Stundenschichten zu einem Hungerlohn gezwungen. Ein massiver Corona-Ausbruch ließ die Bedingungen ans Licht kommen. Die Arbeiter mussten in Sechs-Bettzimmern zu jeweils 200–300 Euro pro Bett leben. Gleichzeitig wurden sie massiv um ihren Lohn betrogen. Im Anschluss an den Skandal wurden Werkverträge in der Fleischindustrie verboten. Doch noch immer klagen Arbeiter:innen bei Tönnies, dass sich real kaum etwas an ihren Bedingungen verändert habe.

Moderne Sklaverei in der Landwirtschaft ist Ausdruck der kapitalistische Moderne

Ausgebeutet werden in dem System der billigen Agrarproduktion vor allem Migrant:innen. Statistiken zufolge handelt es sich bei 80 Prozent der Arbeiter:innen in diesem Sektor um nichteuropäische Staatsbürger:innen. Das Ausbeutungssystem wird aufgrund der sozialen Krisen in Europa immer drastischer. Da die Reallöhne in Europa immer weiter sinken, werden Discounterpreise bei der Produktion von Grundnahrungsmitteln immer relevanter. Dass dabei weniger an den Profitmargen der Discounter gespart wird, ist angesichts steigender Gewinne in diesem Sektor offensichtlich. Stattdessen wird auf eine immer billigere Produktion auf der Grundlage von immer brutalerer Ausbeutung gesetzt. Ausgehöhlte Lieferkettengesetze tun dabei ihr Übriges. Solange Konsum und Profitmaximierung im Mittelpunkt stehen, ist eine nachhaltige Veränderung offensichtlich nicht möglich.