„Sollen sie mich schlagen, ich werde niemals aufhören“

Nuran Aba ist trotz ihres Alters bei fast jeder kurdischen Protestaktion in der ersten Reihe zu sehen. Sie sagt: „Der Kampf der Kurden um Würde drängt mich an die Spitze bei den Aktionen“.

Kurdische Frauen kämpfen seit Jahrzehnten sowohl gegen patriarchale Rollenzuweisung als auch gegen Angriffe des türkischen Staates. So wird den Frauen das Doppelte an Energie abgefordert. Eine dieser Frauen ist Nuran Aba (75). Aba stammt aus Dêrika Çîyayê Mazî in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (tr. Mardin). Sie verlor ihre Mutter im Alter von sieben Jahren und ihren Vater, als sie 15 Jahre alt war. Sie, ihre zwei Schwestern und ein Bruder mussten zu einer benachbarten Familie ziehen. Nuran Aba ist die Zweitälteste der Geschwister. Sie wurde als Minderjährige verheiratet und bekam vier Kinder. Ihr Mann heiratete nach Jahren der Ehe heimlich eine andere Frau. Ihr einziger Bruder Haci schloss sich der PKK an und fiel nach 20 Jahren Kampf. Aba zog nach Amed (Diyarbakır) und versuchte dort, ein Leben für sich und ihre Kinder aufzubauen. Sie arbeitete als Putzfrau, um ihre Kinder versorgen zu können. In Amed lernte sie den kurdischen Freiheitskampf kennen. Sie beschreibt diese Erfahrung als „Befreiung“. Seitdem nimmt sie an jeder Protestaktion in der ersten Reihe teil. Im ANF-Gespräch berichtet sie über ihre Motivation.

Mit 15 zwangsverheiratet

Aba berichtet, sie habe im Alter von sieben Jahren ihre Mutter verloren. Als sie 15 Jahre alt war, wurde ihr Vater von Einbrechern ermordet. „Nachdem wir unseren Vater verloren hatten, waren wir völlig allein“, sagt sie. Anschließend sei sie für einige Monate bei Nachbarn geblieben. Sie erinnert sich: „Sie haben mich mit ihrem Sohn verheiratet. Ich habe in diesem Alter gar nicht an die Ehe gedacht. Obwohl ich deutlich, ‚Nein, ich werde nicht heiraten!‘ gesagt hatte, wurde ich dazu gezwungen. Mein siebenjähriger Bruder und meine anderen Schwestern befanden sich ebenfalls in den Händen dieser Familie. Das Leben war schon vor der Ehe für mich vergiftet. Danach wurde es noch schlimmer. Uns blieb nichts mehr. Wir haben alles verloren. Vor allem unsere Freiheit. Auch wenn ich das ganze Unrecht, das ich in diesem Haushalt erlebt habe, meinem Mann erzählte, so interessierte es nicht. Aber ich habe alles für meine Kinder auf mich genommen. Außerdem, wenn ich weggegangen wäre, dann hätte es keinen Ort gegeben, an den ich hätte gehen können.“

Bruder bei der Guerilla gefallen

Aba berichtet, ihr Bruder habe sich in Amed in der PKK organisiert: „Mein Bruder wurde beim Sprühen erwischt. Sie haben versucht ihn umzubringen. Sie hatten ihn sogar schon in die Leichenhalle gebracht, aber als sie merkten, dass er noch lebte, wurde er ärztlich behandelt und ins Gefängnis geschickt. Nach zwei Jahren Haft wurde er freigelassen. Dann schloss er sich der PKK an. Nach 20 Jahren in den Bergen fiel er. Das war vor 20 Jahren.“

Misshandelt und auf die Straße geworfen

Aba berichtet, dass ihr Mann in Amed eine andere Frau heiratete und sie erst später darüber informierte: „Obwohl wir vier Kinder hatten, hat sich mein Mann nie um uns gekümmert. Als ich hörte, dass er verheiratet sei, war das für mich trotz allem sehr schwer. Ich sagte, wenn er heiratet, dann heirate ich auch. Daraufhin begann er mich zu schlagen. Ich wurde permanent misshandelt. Schließlich warfen sie mich aus dem Haus. Wir mussten uns in Amed niederlassen. Ich begann dort von Haus zu Haus zu gehen und Reinigungsarbeiten durchzuführen. Ich musste mich ja um die Kinder kümmern und die Miete bezahlen. Ich habe so hart gearbeitet, dass ich manchmal nicht einmal Zeit hatte, mich am Kopf zu kratzen.“

Für mich sind die Newroz-Aktionen Pflicht“

Nachdem sie sich in Amed niedergelassen hatte, begann Aba an allen Protesten und Veranstaltungen der kurdischen Freiheitsbewegung teilzunehmen. Zu ihrer Motivation sagt sie: „Der Kampf der Kurden um Würde drängt mich an die Spitze bei den Aktionen. Der Kampf beruht auf den Anstrengungen unserer jungen Leute, die in den Bergen und in den Kerkern kämpfen. Ich erlebe andauernd Provokationen durch die Polizei. Aber ich werde mein Leben immer dem kurdischen Freiheitskampf widmen und weiterhin an jeder Aktion teilnehmen. Als Kurdin bin ich verpflichtet, zu Newroz und zu allen anderen Aktionen zu gehen. Sie können mich herumschubsen wie sie wollen, sie können mich schlagen wie sie wollen, aber ich werde niemals damit aufhören.“

Die Kurden müssen zusammenstehen“

Aba schließt mit den Worten: „Wenn die Kurden sich nicht gegenseitig verraten und eine Einheit bilden, werden wir alle schlechten Zeiten überleben.“