Zwei libanesische Minister zurückgetreten
Auf die humanitäre Krise im Libanon folgt die politische Krise. In den Städten kommt es zu heftigen Aufständen; die Regierung zeigt Zerfallserscheinungen.
Auf die humanitäre Krise im Libanon folgt die politische Krise. In den Städten kommt es zu heftigen Aufständen; die Regierung zeigt Zerfallserscheinungen.
Die schwere Explosion in Beirut zerstörte große Teile der Stadt und insbesondere des Hafenviertels, machte 300.000 Menschen obdachlos, tötete 154 und verletzte über 6.000 Personen, 21 gelten weiterhin als vermisst. Der mutmaßliche Unfall aufgrund der fahrlässigen Lagerung von tausenden Tonnen Ammoniumnitrat wird zum Katalysator der politischen und sozialen Krise des Libanon. Schon vor der Explosion befand sich der Libanon in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 30 Jahren. Die Staatsschulden betrugen rund 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Inflationsrate schießt in die Höhe. In den ersten Monaten des Jahres war es bereits trotz Corona-Krise und Ausgangssperren zu massiven Protesten gegen die Regierung in Beirut gekommen. Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft gingen bereits am 11. Juni in fast allen Städten auf die Straße.
Nach der Explosion in der letzten Woche kommt es nun erneut zu Massenprotesten. Auch die mögliche Ankündigung von Neuwahlen reicht vielen Menschen nicht. Forderungen nach einem grundsätzlichen Wandel werden laut. Am Sonntag reichte die libanesische Informationsministerin Manal Abd Al-Samad ihren Rücktritt ein. Sie scheint von dem sinkenden Schiff der libanesischen Regierung abspringen zu wollen, wenn sie erklärt, ein möglicher Wandel im Land sei „außer Reichweite“. Es folgte der Umweltminister Damianos Kattar. Beim Rücktritt von fünf weiteren Kabinettsmitgliedern würde die Regierung aufgelöst. Der Ministerpräsident hatte bereits am Samstag angekündigt, am Montag dem Parlament Neuwahlen vorzuschlagen. Reguläre Wahlen würden erst 2022 stattfinden.
Demonstrant*innen hatten am Samstag das Außenministerium gestürmt und zum „Hauptquartier der Revolution“ ausgerufen. Sie setzten Banken in Brand, blockierten Straßen und äußerten ihre Wut über die herrschende Klasse um Ministerpräsident Hassan Diab. An beiden Tagen zuvor war die Lira erneut um 25 Prozent gegenüber dem Dollar abgesackt. Die Menschen klagen über Verteuerung, Korruption und Arbeitslosigkeit. Die Protestierenden kommen aus allen Konfessionen, was für den stark gespaltenen Libanon sehr ungewöhnlich ist. Die Hisbollah hatte ihre Anhänger damals aufgerufen, sich nicht zu beteiligen.
Der Libanon ist politisch und konfessionell stark gespalten. Der Iran versucht, den Libanon über die Hisbollah zu kontrollieren. Demgegenüber stehen israelische und US-Interessen und nichtschiitische Bevölkerungsteile.