Kiel: Veranstaltung zum Drohnenkrieg in Kurdistan

Auf dem antimilitaristischen „Rheinmetall Entwaffnen“-Camp fand eine Veranstaltung zum Drohnenkrieg in Kurdistan statt. Es sprachen eine Vertreterin der Akademie der Demokratischen Moderne und der Journalist Tim Krüger.

„Rheinmetall Entwaffnen“-Camp

Seit Dienstagnachmittag findet in Kiel das antimilitaristische „Rheinmetall Entwaffnen“-Camp mit einer Vielzahl von Aktionen und Veranstaltungen statt. Nachdem gestern schon ein Live-Podcast mit Jan van Aken und Linda Peikert in der Reihe „Disarm“ stattgefunden hat, berichteten am Donnerstag eine Vertreterin der Akademie der Demokratischen Moderne (ADM) sowie der Journalist Tim Krüger über die aktuelle Situation des Drohnenkrieges in Kurdistan.

Dabei ging es auch um die Ermordung von Hêro Bahadin und Gulistan Tara. Die gezielte Tötung der Journalistinnen vor knapp zwei Wochen in der Nähe von Silêmanî in Form eines Drohnenangriffs auf ihr Auto zeige, wie sehr die türkische Regierung die Berichterstattung aus Kurdistan verhindern wolle. Thematisiert wurde ferner die Angriffswelle der Türkei im Oktober letzten Jahres, bei der wichtige Infrastruktureinrichtungen der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens, darunter die Stromversorgung von etwa zwei Millionen Menschen, vernichtet wurden. Bei den Angriffen wurden 48 Menschen ermordet.

Psychologische Kriegsführung

Mitte Januar hatte erneut eine türkische Luftangriffsserie in Nordostsyrien stattgefunden. Die Referentin erinnerte daran, dass auch viele kleine Unternehmen getroffen wurden, die für die Grundversorgung der Bevölkerung notwendig seien. Drohnenkrieg bedeute auch psychologische Kriegsführung, da die Bevölkerung in ständiger Unsicherheit und Angst lebe. Die Angriffe auf die Sicherheitskräfte etwa würden insbesondere den Schläferzellen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) nutzen, die im Schutz der Drohnenangriffe erstarken würden. So seien Sicherheitskräfte des Auffang- und Internierungslagers Hol zum Ziel von Bombardements geworden, um Mitgliedern des IS die Flucht zu ermöglichen.

Immer wieder würden auch Aktivistinnen und Führungspersönlichkeiten der Frauenbewegung zum Ziel von Drohnenangriffen in Nord- und Ostsyrien. Als Beispiel wurde unter anderem Halime Mihemed Osman genannt, Sprecherin der Organisation Sara zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, die im April 2024 schwer verletzt wurde. Hediye Abdullah von den Hêzen Parastina Jin (HPJ) war im November 2022 ermordet worden.

Ukraine plant Montagefabrik für türkische Drohnen

Der Journalist Tim Krüger thematisierte, dass die Türkei sehr früh erkannt habe, welches Potential in der Nutzung von Drohnen in der Kriegsführung steckt. Sie ermöglichten große Raumkontrolle und könnten direkt intervenieren, auch aus großer Entfernung, ohne eigenes Personal zu gefährden, sagte Krüger.

Zunächst hatten die USA Daten von Aufklärungsflügen von Predator-Drohnen an die Türkei geliefert, ab 2011 wurden Heron-Drohen aus Israel eingesetzt. Die fliegenden Tötungsmaschinen würden als eine omnipräsente Waffe jeden Tag zum Einsatz kommen, meinte Krüger. Die Türkei selbst habe in den 2000er Jahren angefangen, eigene Drohnen zu entwickeln, vor allem durch die Firma Baykar des Erdogan-Schwiegersohns Selcuk Bayraktar. Dessen Drohnen wurden 2018 beim Angriffskrieg in Efrîn (Afrin) zum ersten Mal eingesetzt.

Doch schon seit 2014 habe die Türkei weitere Modelle entwickelt, etwa die Akinci-Drohne, die bis zu einer Tonne Gewicht tragen kann, oder die „Kizil Elma“, die wie ein unbemannter Kampfjet funktioniert. Ins Ausland exportiere die Türkei vor allem aber die Bayraktar-Maschinen, welche mit zwei Millionen Euro pro Stück vergleichsweise sehr günstig seien, und in die Ukraine, Polen und 30 afrikanische Staaten verkauft würden. Die Ukraine plane sogar eine eigene Montagefabrik für die Bayraktar.

Deutsche Technik in türkischen Killermaschinen

Ein Großteil der Technik, die in den Drohnen verbaut werde, käme allerdings aus ausländischer Produktion. Eigentlich sei nur das Gehäuse türkisch, betonte Krüger. Kanada, Israel, Frankreich und vor allem Deutschland lieferten die Bauteile. Das Auge der Drohne, das Kameralenksystem, stamme von der deutschen Firma Hensoldt, die auch in Kiel ansässig sei.

Das Handelsblatt „Der Aktionär“ berichtete im März 2020, diese Technik sei der Shootingstar auf dem Aktienmarkt. Hensoldt und Rheinmetall profitierten vom Krieg. Mit der Lasertechnik können auch die F16-Kampfbomber Ziele bestimmen. Drohnen könnten 24 Stunden an einem Ort kreisen. Ohne Zielerfassungssystem funktionierten die Drohnen nicht, daher sei das deutsche Zielerfassungssystem ein bedeutendes Bauteil. Auch Teile für die Gefechtsköpfe kämen aus Deutschland.

Die Drohnen führten zu einem entgrenzten Krieg, so Krüger. Mit Drohnen würden extralegale Hinrichtungen durchgeführt, in Rojava und Südkurdistan käme es regelmäßig zu Morden. Zwar habe die kurdische Guerilla im März verkündet, im Besitz von Flugabwehrsystemen zu sein und mehrere türkische Drohnen vom Himmel geholt zu haben. Dennoch sei es die Aufgabe der solidarischen Gesellschaft, Firmen wie Hensoldt und die Bundesregierung zur Verantwortung zu ziehen.