Syrische Streitkräfte haben einen Hilfskonvoi der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) mit Kraftstoff und humanitären Gütern für die Zivilbevölkerung in den kurdischen Stadtteilen von Aleppo und im Kanton Şehba gestoppt. Trotz einer durch das Regime in Damaskus erteilten Genehmigung zur Durchfuhr konnte die nahe Manbidsch (Minbic) gestartete Kolonne ihr Ziel bislang nicht erreichen. Die 4. Division, eine Eliteeinheit von Regimechef Baschar al-Assad, die berüchtigt für ihre Brutalität und dem Despoten treu ergeben ist, unterbindet die Einreiseversuche.
Wie die Nachrichtenagentur Hawarnews (ANHA) erfahren konnte, wird die verweigerte Durchfuhr mit dem Embargo begründet, das seit 2019 vom syrischen Regime aufrechterhalten und immer wieder verschärft wird. Betroffen von der Schikane sind offenbar auch Fahrzeuge mit Hilfsgütern, die von Studierenden der Universtität Aleppo gesammelt wurden. Die Fahrzeuge der Selbstverwaltung hatten sich bereits in der Nacht zum Donnerstag auf den Weg nach Aleppo gemacht, um die vom Erdbeben betroffene Bevölkerung in Şêxmeqsûd, Eşrefiyê und Şehba zu erreichen. Zuvor hingen die Lastwagen eine Woche im Niemandsland zwischen Autonomie- und Regimezone fest, weil die Assad-Führung die Erdbebenkatastrophe nutzt, um mit der Not ihrer Gegner zu pokern. Der Konvoi hatte das Regimegebiet nur unter der Auflage passieren dürfen, dass 60 Tankfahrzeuge mit Diesel abgegeben werden.
Damaskus setzt die Politik der Aushungerung und Belagerung seit Jahren systematisch als Waffe gegen die eigene Bevölkerung ein. Der Kanton Şehba sowie Şêxmeqsûd und Eşrefiyê - zwei hauptsächlich von Kurdinnen und Kurden bewohnte Stadtteile im Norden von Aleppo, die nach dem Prinzip der Selbstverwaltung von Rojava administriert werden - sind besonders von dieser „Massenvernichtungswaffe“ betroffen. Die Bevölkerung in diesen Regionen sitzt in einem Belagerungsring aus regimetreuen Militärverbänden und der türkisch-dschihadistischen Besatzung. Zugänge gibt es nur über Aleppo, die allesamt von der 4. Division der syrischen Armee betrieben werden. In Şehba treffen indes immer mehr Familien aus Şêxmeqsûd und Eşrefiyê ein. Aus Angst vor Nachbeben und einstürzenden Häusern, der bedingt durch das Embargo ohnehin schon prekären humanitären Lage und weiterhin ausbleibender Hilfe sind inzwischen mehr als 15.000 Menschen in die Region geflohen.
Offiziell mehr als 44.000 Tote
Die offizielle Zahl der Toten seit den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet am Montag vergangener Woche ist inzwischen auf über 44.000 angestiegen. Für die Türkei allein sollen es 38.044 sein, teilte die Katastrophenschutzbehörde Afad mit. Geologen und andere Fachleute gehen von noch mehr Opfern aus. Zehntausende Menschen werden weiterhin vermisst.