YPG-Sprecher: Die Türkei will Talal Silo gegen Zarrab einsetzen

ANF sprach mit YPG-Sprecher Nuri Mahmud über die gemeinsame Presseerklärung mit Russland, die Prioritäten der Zeit nach dem IS, den Invasionsversuch gegen Efrîn, die Beziehungen zu den USA und die Hintergrundgeschichte des Vorfalls mit Talal Silo.

In einer aktuellen Bewertung wies der Sprecher der Volksverteidigungseinheiten (YPG) Nuri Mehmud darauf hin, dass der türkische Staat sich auf eine zweite „Invasion von Iskenderun“ mit dem Einmarschversuch in den Kanton Efrîn in Nordsyrien/Rojava vorbereite, um diese Region von Syrien abzutrennen. Die AKP-Regierung wolle damit ihr Leben verlängern, indem sie sowohl Territorien aus Syrien erobert als auch das demokratische Leben in Efrîn zerstört. Weiterhin setzte er den Fall des ehemaligen Kommandeurs der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) Talal Silo mit dem Fall Zarrab in den USA in Verbindung, die Türkei wolle Silo gegen die USA einsetzen.

In Ihrer jüngsten gemeinsamen Erklärung mit dem russischen General haben Sie angekündigt, dass der Osten von Dêra Zor vom IS befreit wurde. Können Wir damit sagen, dass der Islamische Staat (IS) in Syrien nun vollständig eliminiert wurde?

Der IS kann nicht als eine Organisation betrachtet werden, die ausschließlich auf militärischer Basis existiert. Der Islamische Staat entstand als eine Denkweise. Er organisierte in einem Zeitraum von sechs Jahren in der Gegend riesige Ressourcen. Er hat sehr moderne Waffen erworben und führt einen schmutzigen Krieg mit fortschrittlicher Technik. Deshalb kann man nicht sagen, dass der IS nur durch den Sieg in Dêra Zor eliminiert wurde. Im Gegenteil, der IS hält noch immer Gebiete in Syrien, sowohl im Osten als auch im Westen des Firat (Euphrat). Der IS ist in Syrien noch nicht vollständig beseitigt. Es wäre nicht angemessen, dies anzunehmen, und dieser Gedankengang würde auch dem Prozess nicht dienlich sein, weil er im militärischen Sinne immer noch auf dem Feld ist. Es muss noch immer massiv gegen ihn Krieg geführt werden. Die internationalen Mächte müssen dies verstehen. Die Welt muss gegen diesen internationalen Terror Haltung einnehmen.

„Die Unterstützung Russlands im Kampf gegen den IS ist wichtig“

In unserer gemeinsamen Erklärung haben wir verkündet, dass der IS in dem Bereich, in dem wir ein Abkommen mit Russland im Krieg gegen den Terror ausgehandelt haben, beseitigt wurde. Aber der IS ist immer noch in Syrien präsent, und solange das der Fall ist, werden wir gegen ihn kämpfen. Unsere Strategie eines gemeinsamen Kampfes mit den USA und der Internationalen Koalition gegen den IS wird fortgesetzt. Jetzt gerade sind wir dabei, gemeinsam mit den USA und der Internationalen Koalition den IS in Syrien vollständig zu eliminieren. Gleichzeitig ist die Unterstützung, die Russland dem andauernden Kampf gegen den IS bietet, wichtig für uns.

„Der Sieg von Raqqa hat den Weg für einen Lösungsdialog geebnet“

Auf der einen Seite gibt es militärische Siege gegen den IS. Raqqa ist befreit und die Operation Dêra Zor steht kurz vor dem Abschluss. Was werden die Prinzipien für die Zeit nach dem IS sein, um eine Lösung für die syrische Krise zu finden?

Nach der Befreiung von Raqqa wird der IS nun im militärischen Sinne vernichtet sein. Deshalb können wir, wie auch die internationale Gemeinschaft jetzt über eine Lösung der syrischen Krise einen Dialog führen. Im Moment bereiten wir uns darauf vor, was in der Zeit nach dem IS getan werden kann. Was für ein Syrien soll aufgebaut werden? Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig. In Nordsyrien gibt es ein föderales System. Wir glauben, dass ein föderales und geeintes Syrien die Probleme aller ethnischen und religiösen Gruppen in Syrien lösen wird. Um eine solche Lösung zu schaffen, müssen wir einen großen Kampf und eine Allianz gegen die vom IS geschaffene Mentalität entwickeln. Der IS hatte seine Streitkräfte in Syrien aufgebaut und ausgebildet. Die internationale Gemeinschaft muss diese Tatsache sehen.

Die Hindernisse auf dem Weg zur Lösung der syrischen Krise werden nicht mit dem Sieg über den IS verschwinden. Nachdem der IS im militärischen Sinne eliminiert wurde, werden sich diese Hindernisse auf andere Weise manifestieren. Einige regionale Kräfte versuchen dies bereits umzusetzen und wollen keine demokratische Lösung für Syrien. Zum Beispiel wollen die Türkei und andere Status quo begünstigende Mächte in der Region keine Lösung. Sie wollen, dass Syrien nach dem Ende des IS wieder zum alten Status quo zurückkehrt und dass die Revolution, die hier stattgefunden hat, aufhört zu existieren. Die ganze Welt muss diese Tatsache berücksichtigen. Die Revolution für Demokratie und Freiheit geht weiter. Und die Lösung liegt in der Entwicklung eines föderalen, demokratischen und geeinten Syrien.

„Die AKP steht vom ersten Tag an hinter den Angriffen“

Sie haben darauf hingewiesen, dass es Kräfte gibt, die keine Lösung wollen. Der türkische Staat plant seit langem die Invasion der Efrîn-Region. Wie ist die aktuelle Situation dort?

Erdoğan und seine Partei hatten in ihren frühen Jahren behauptet, eine Alternative für den Nahen Osten zu sein. Sie glaubten, dass alle Staaten im Nahen Osten wie Dominosteine fallen und das System, welches sie zu schaffen vorhatten, herrschen würde. Dieses Modell wurde in Ägypten und Tunesien versucht. Deshalb war die AKP-Regierung von Anfang an gegen einen „Frühling der Völker“. Sie nannten es den „Arabischen Frühling“. Sie waren von Anfang an gegen den in Rojava und Nordsyrien entstandenen „Frühling der Völker“.

Als Beispiel, als die Freie Syrische Armee (FSA) Serêkaniyê angriff, hatten sie die AKP-Regierung hinter sich. Trotzdem gingen die Völker der Türkei nach Serêkaniyê, um gegen diese Angriffe menschliche Schutzschilde zu sein. Viele Revolutionär*innen aus der Türkei kamen und schlossen sich der Revolution von Rojava an. Ein ähnlicher Prozess fand in Kobanê statt. Wir haben aufgedeckt, dass die terroristischen Organisationen wie Jabhat Al-Nusra und Ahrar Al-Sham hinter den Angriffen in Serêkaniyê stecken. In Kobanê war es der IS, der angriff. Die Völker der Türkei verteidigten Kobanê erneut als menschliche Schutzschilde. Der damalige Premierminister Tayyip Erdoğan sagte zu dieser Zeit, dass „Kobanê im Begriff sei zu fallen“, das zeigt, dass er hinter den Angriffen stand.

Die AKP kämpft um ihr Überleben

Die AKP-Regierung glaubte, sie hätten Syrien in der Tasche. Aber als die Entwicklungen anders ausfielen als erwartet, als die Türkei sah, dass sie die Revolution, den „Frühling der Völker“ in Serêkaniyê und Kobanê nicht besiegen können, begannen sie Russland, wie auch dem Iran und Syrien große Zugeständnisse zu machen. Sie verkauften terroristische Organisationen wie Jabhat Al-Nusra und Ahrar Al-Sham, alias FSA, in Aleppo, Homs und Zebedani, um Cerablus, Al-Bab und Azaz betreten zu dürfen. Gerade jetzt wollen sie dasselbe in Idlib umsetzen, und machen derzeit für den Angriff auf Efrîn große Zugeständnisse. Die Gebiete, in die sie eindrangen, betraten sie als Invasoren. Die derzeitige Position der Türkei ist die eines Eindringlings. Der Angriff auf Efrîn ist im Wesentlichen ein Angriff auf die Demokratie und auf das Lösungsmodell, das für die Lösung der Probleme in Syrien entwickelt wurde. Dieser Angriff wird den Angreifern mehr schaden als allen anderen. Die Türkei hat ein großes Demokratiedefizit.

Die Regierung in der Türkei spielt eine große Rolle bei der Zerstörung Syriens. Die türkische Armee wird genutzt, um den momentanen Machtinteressen der AKP-Regierung zu dienen. Diese Armee wurde auch bei der Zerstörung von Sûr, Cizîr und Nisêbîn eingesetzt. Die AKP-Regierung kämpft um ihr Überleben und die türkische Armee, die eigentlich zur Verteidigung der Völker der Türkei existieren sollte, kümmert sich nur um die Verteidigung der türkischen Regierung. Beide greifen die Völker der Türkei und die Demokratie in der Region an.

„Sie wollen ihre Niederlage durch einen Angriff auf Efrîn vertuschen“

Könnte Erdoğan, um seine Macht zu schützen, die Armee dazu bringen Efrîn anzugreifen? Wäre das Ergebnis eines solchen Angriffs nicht noch gravierender?

Die AKP-Regierung befindet sich seit einiger Zeit in intensiven diplomatischen Verhandlungen. Sie machen bei jedem Treffen große Zugeständnisse und wollen eine Grundlage schaffen, um im Gegenzug Efrîn oder Nordsyrien anzugreifen. Sie erlitten auch im Raqqa-Prozess eine Niederlage. Sie wollten auch nach Raqqa, aber die Welt ließ das nicht zu. Deshalb will die AKP-Regierung jetzt alle Ressourcen der Völker der Türkei nutzen, um einen Angriff auf Efrîn vorzubereiten. Sie wollen Efrîn in die Invasion von Idlib, Al-Bab, Azaz und Cerablus einbeziehen und ein weiteres Iskenderun oder Zypern schaffen. Sie wollen ihre Niederlage in Syrien unter einer Fassade des Heldentums verbergen, und sie wollen das erreichen, indem sie Territorium eines anderen Landes besetzen und der Türkei hinzufügen. Sie denken, dass sie ihre Niederlage in der Region auf diese Weise tarnen können. Die AKP-Regierung will ihr Leben verlängern, indem sie sowohl Gebiete von Syrien erobert als auch das demokratische Leben in Efrîn zerstört.

„Die Türkei war weder Asien, noch dem Westen oder dem Osten gegenüber loyal“

Werden die internationalen Mächte, wie die USA und Russland einen Angriff auf Efrîn billigen?

Das wahre Gesicht der AKP kommt jeden Tag deutlicher ans Licht. Bevor die Entwicklungen der letzten sechs Jahre im Nahen Osten begannen, versuchte die Türkei der Europäischen Union beizutreten. Zu dieser Zeit unterstützte die internationale Gemeinschaft auch die Türkei. Aber später wurden die Beziehungen der Türkei zum IS, Jabhat Al Nusra und Al-Qaida aufgedeckt. Diese Gruppen reisten durch die Türkei in den Nahen Osten und nach Syrien. Und zuletzt sah die Welt mit dem Präsidentschaftsreferendum das wahre Gesicht der AKP-Regierung – eine Ein-Mann Diktatur. Es stellte sich heraus, dass alles, was sie taten, um die EU-Kriterien zu erfüllen, eine Farce gewesen war.

Als die Türkei vom Westen so nicht akzeptiert wurde, wandte sie sich stattdessen Asien zu. Aber sie waren in dieser Beziehung ebenfalls nicht loyal. Ihre Absicht, in Syrien einzufallen, hat diese Beziehung von Anfang an unmöglich gemacht.

„Die Demokratisierung der Region wird aus Syrien kommen“

Die Türkei, Russland und Iran haben sich in Astana geeinigt, „Konfliktfreie Zonen“ zu schaffen.

Die Gespräche in Astana wurden inzwischen für obsolet erklärt. Laut der Vereinbarung sollte die Türkei als „beobachtende Kraft“ in Idlib eindringen, aber sie marschierten mit Panzern und Artillerie in die Region ein. Sie benutzte Russland, Iran und Syrien. Gerade jetzt, wenn wir uns Idlib und Azaz anschauen, sehen wir, dass dort das türkische Staatswesen eingerichtet wurde und die türkische Flagge weht.

Diese Bereiche werden von türkischen Gouverneuren regiert. Was in Idlib passiert, geht gegen die Wünsche aller anderen Mächte in der Region. Aber der Iran und die Türkei, als Mächte des Status Quo Ante, wollen den Erfolg des sich entwickelnden demokratischen Systems in Nordsyrien behindern und den alten Status quo wiederherstellen. Dieser Tatsache müssen sich globale Mächte wie die USA und Russland bewusst sein. Die Demokratie in der Region kann mit diesen Leuten nicht entwickelt werden. Die wichtigste demokratische Erfahrung findet in Syrien statt. Wenn dieses Projekt gelingt, wird sich die Demokratie in der Region durchsetzen.

Türkische Soldaten werden jetzt von Al Nusra in Idlib begleitet. Die Regierung in der Türkei ist wie eine Seiltänzerin. Sie stehen gleichzeitig in Beziehungen mit den USA, der EU, der NATO, Russland und terroristischen Gruppen. Es gibt viele Dokumente, die ihre Beziehung zu terroristischen Organisationen beweisen. Die AKP-Regierung nutzt ihre Beziehung zu den Banden als eine Methode der Bedrohung und Erpressung.

„Der gemeinsame Kampf gegen den IS wird fortgesetzt“

Der türkische Staat bemühte sich mit einer intensiven Diplomatie darum, zu verhindern, dass die USA Waffenlieferungen an die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) leisten. Die USA machten widersprüchliche Erklärungen dazu, das Weiße Haus gab bekannt, dass „die Unterstützung beendet sei“, während das Pentagon eine Erklärung veröffentlichte, dass „die Waffenunterstützung fortgesetzt werde“. Wie ist die Beziehung zu den USA auf dieser Ebene?

Unsere Partnerschaft im Kampf gegen den IS geht weiter. Diese Verhältnis wird fortgesetzt, bis der IS beseitigt ist. Das ist ein entscheidender Prozess für die innere Sicherheit Syriens. Zum Beispiel gibt es in Raqqa, Hesekê, Kobanê und vielen anderen Gebieten keine direkten Frontlinien mehr mit dem IS. Heute gibt es nur noch Fronten in einigen Wüstengebieten entlang der irakischen Grenze. Aber der IS hat Zellen in der Region. Deshalb gaben sowohl das Pentagon als auch das Weiße Haus bekannt, dass es weiterhin Waffenunterstützung für die QSD geben wird, um die innere Sicherheit in Syrien zu fördern. Unser gemeinsamer Kampf mit den USA geht in den irakischen Grenzgebieten gegen versteckte Kräfte des IS weiter.

Der ehemalige Sprecher der QSD Talal Silo ist jetzt in der Türkei. Er hat der Presse einige Aussagen gemacht. Was ist die Hintergrundgeschichte im Fall Talal Silo?

Talal Silo hat finanzielle Probleme und Probleme mit seiner Familie. Seine zwei Kinder studieren in der Türkei. Der Vorfall scheint eine Operation des türkischen Geheimdienst MİT zu sein. Sie erzeugten durch seine Familie Druck und zwangen ihn, in die Türkei zu gehen. Dies wurde so durchgeführt, dass es mit dem Beginn des Verfahrens gegen Reza Zarrab in den USA zusammenkam. Die Behauptungen von Talal Silo sind nicht neu. Ein genauerer Blick auf die türkischen Medien wird zeigen, dass diese Behauptungen dort zuvor geäußert wurden. Es sind Behauptungen, wie sie die türkische Regierung seit Jahren macht. Was jetzt passierte, ist folgendes: Ein Text wurde vorbereitet und Talal Silo wurde offensichtlich gezwungen, ihn zu verlesen.

„Sie wollen Silo gegen Zarrab benutzen“

Darum sprechen wir über den Spezialkrieg, den der türkische Staat, diesmal unter Benutzung von Talal Silo, gegen die Revolution in Nordsyrien führt. Sie wollen die USA unter Druck setzen. Sie wollen Talal Silo als Hebel gegen den Fall Reza Zarrab einsetzen, denn in diesem Verfahren in den USA wird die Korruption der AKP-Regierung Schritt für Schritt aufgedeckt. Sie versuchen damit den USA zu zeigen, dass ihre Unterstützung für die QSD nicht legitim ist.

Diese Operation richtet sich auch gegen die USA. Sie hat zwei Ziele. Erstens behaupten sie, dass nicht die QSD oder die YPG, sondern die PKK in Nordsyrien sei. Zweitens wollen sie die Waffenlieferungen verhindern, indem sie behaupten, die PKK würde die Waffen erhalten. Die Siege gegen den IS durch die YPG/YPJ und die QSD gemeinsam mit den USA und der Internationalen Koalition sorgen für Sicherheit der ganzen Welt. Die Regierung in der Türkei möchte diesen Erfolg zunichtemachen. In diesem Sinne wollen sie Talal Silo als Druckmittel gegen den Fall Reza Zarrab in den USA verwenden.