Widerstand geht in Şehba unter schweren Bedingungen weiter

Aufgrund des Angriffs des türkischen Staats und seiner Milizen mussten über hunderttausend Menschen den Kanton Efrîn verlassen und setzen nun ihren Widerstand in der Region Şehba fort. Sie leben dort in Camps und Hausruinen.

Die aus der Region Efrîn vor den Angriffen türkeitreuer Dschihadisten und der türkischen Armee evakuierten Bewohner der Region haben in Şehba mit existenziellen Problemen zu kämpfen.

In der Region Şehba leben im Moment mehr als 170.000 Flüchtlinge aus Efrîn und 80.000 Menschen aus Şehba. Die autonome Selbstverwaltung von Efrîn hat mit Unterstützung aus der Demokratischen Föderation Nordsyrien und der Hilfe solidarischer Menschen aus Europa die Camps Serdem und Berxwedan Camp errichten können. In den Zelten im Camp kommen etwa 2.000 Familien unter. Tausende Menschen aus Efrîn sind weiterhin dazu gezwungen, in Hausruinen, Schulen und Moscheen zu leben.

Die Kurden haben für die gesamte Menschheit gekämpft und werden heute alleine gelassen

Ein großer Teil der erst vor kurzer Zeit von der IS-Herrschaft befreiten Dörfer in der Region Şehba ist zerstört. Obwohl die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) die Dörfer soweit wie möglich von Sprengsätzen gesäubert haben, befinden sich noch immer viele Minen und Sprengkörper in der Gegend. Immer wieder werden Menschen durch Explosionen verletzt oder getötet.

Elif Emer Sido musste Çeqela im Kanton Efrîn aufgrund der Angriffe verlassen und lebt seitdem in einer Hausruine im Dorf Til Qerex. Sie ruft das kurdische Volk zur Einheit auf: „Heute ist unser Tag. Steht auf. Bis heute haben wir für die ganze Menschheit gekämpft, Blut gelassen und keinen Verrat begangen.“ Sie fährt fort: „Wir haben alles zurückgelassen. Alles für unsere Ehre und unsere Würde. Sehen das die Staaten der Welt nicht? Wir haben so viel Blut gelassen. Wir klagen sie an. Wir wollen von niemandem Hilfe. Unser einziger Wunsch ist, dass dem kurdischen Volk sein Recht zugestanden wird. Das Blut der Gefallenen wird nicht umsonst vergossen worden sein.“

„Sie sitzen in den Hotels und behaupten, gegen den Terror zu kämpfen“

Ebu Şivan kommt aus demselben Dorf wie Elif Emer Sido. Gegenüber ANF spricht er den vom türkischen Regime und seinen Milizen gegründeten sogenannten „Afrin-Rat“ und insbesondere die Rolle der kurdischen Kollaborateure an: „Heute sitzen sie in Istanbul in den Hotels neben Erdoğan und sagen, sie seien Kurden und verteidigten die Rechte der Kurden. Und dann kommen sie mit denjenigen an, welche die Kurden ermorden, ihre Besitztümer und kurdische Frauen auf den Märkten verkaufen. Ich verfluche sie. Sie sitzen in den Hotels und behaupten, gegen den Terror zu kämpfen. Gegen wen kämpft ihr? Ihr kämpft gegen meine Mutter, meinen Bruder, meine Tante, meine Schwester. Kommt von eurem Sockel herunter und kämpft wirklich für die Rechte der Kurden.“

„Die internationale Staatengemeinschaft hat uns bisher ignoriert“

Semiha Hiso, eine Lehrerin aus Efrîn, berichtet über die schweren Lebensbedingungen: „Die Bedingungen auf der Flucht sind schwer. Wir haben große Schwierigkeiten. Insbesondere die Probleme mit Krankheiten sind äußerst gravierend. Bis jetzt ist kein Arzt gekommen. Es gibt kein sauberes Wasser. Wir appellieren an die internationalen Institutionen: Bis jetzt habt ihr uns ignoriert. Wir sind 40 Millionen Kurd*innen, aber sie ignorieren uns. Unser einziger Wunsch ist es, nach Efrîn zurückzukehren. In dem Dorf, in dem wir gerade leben, liegen noch viele Minen des IS. Jeden Tag explodieren Minen. Wir können unsere Kinder nicht frei herumlaufen lassen. Wir können uns nicht frei bewegen oder arbeiten.“

Im Dorf explodieren jeden Tag zwei bis drei Minen

Mihemed Murad stammt ebenfalls aus Çeqala. Sein Sohn ist im Kampf um Efrîn gefallen. Er musste zunächst aus seinem Dorf nach Efrîn zu fliehen und setzt nun in Şehba seinen Widerstand fort: „Als wir hierher kamen, hatten wir große Schwierigkeiten. Alles war hier schlecht und zerstört. Wir haben uns nach unseren Möglichkeiten etwas gesammelt und uns niedergelassen. Aber die Häuser sind alt und wenn es regnet, gibt es keinen Schutz.“

Şaban aus Efrîn berichtet, dass es im Dorf ständig Explosionen gebe und bereits viele Menschen deshalb gestorben seien: „Manchmal gibt es zwei bis drei Explosionen. Wir bekommen keine Hilfe von außen. Wir haben große Schwierigkeiten und sind sehr niedergeschlagen. In dieser Region gibt es etwa vierzig Dörfer. In dem Dorf hier gibt es 1400 Häuser. Alle haben die gleichen Probleme. Wir wollen, dass die Staaten der Welt kommen und sich das ansehen. Tausende leben in diesem Gebiet. Wir wurden mit Gewalt von unserem Land vertrieben. Jetzt versuchen wir zu überleben. Aber dieses Volk braucht wirklich alles. Es gibt keinen Strom, wenig Trinkwasser und das was es gibt, ist nicht sauber. Die sollen sich das anschauen.“

Die Bevölkerung kämpft ums Überleben

Evdilqadir Gedo berichtet, dass der türkische Staat sein Haus und sein Dorf geplündert habe: „Jetzt befinden wir uns in Şehba im Dorf Til Qerex. Wenn es regnet, dann gibt es keinen Schutz für uns. In diesem Dorf liegen Minen. Wegen der Explosionen der Minen haben sehr viele Menschen ihr Leben verloren. Mit der wenigen Hilfe, die ankommt, kämpft die Bevölkerung ums Überleben.“

Fuad Murad erzählt, aufgrund der Angriffe des türkischen Staates und seiner Milizen dreimal zur Flucht gezwungen gewesen zu sein: „Wegen dem türkischen Staat und der FSA habe ich mein Haus und alles zurückgelassen und bin geflohen. Wir haben überhaupt nichts mitnehmen können. Wir versuchen hier irgendwie zu überleben. Wir wollen nichts. Wir wollen nur in unsere Heimat zurückkehren. Das ist unser Aufruf an die internationale Staatengemeinschaft, wir wollen an unsere Orte zurück.“

Der einzige Wunsch ist die Rückkehr nach Hause

Niyad Mihemed richtet einen Aufruf an humanitäre Organisationen: „Eine halbe Million Menschen ist vertrieben worden und musste fliehen. Diese Menschen müssen in ihre Heimat zurückkehren können. Wir sind keine Terroristen. Die Terroristen sind die, die uns angreifen und uns als Terroristen bezeichnen. Die Häuser, in denen wir uns jetzt befinden, waren zuvor in den Händen des IS. Vor kurzem sind sie befreit worden. Sie sind alle kaputt und vermint. Jeden Tag explodieren etliche Minen. Wir sind hier am Ende. Wir wollen auf unseren Boden zurück.“