Widat war die Tochter einer christlichen Familie aus Colemêrg (Hakkari, Nordkurdistan), die das „osmanische Schwert“, den Völkermord an den Suryoye im Osmanischen Reich (Seyfo) 1914-1915 überlebt hat. Die Familie flüchtete zunächst nach Südkurdistan und von dort aus weiter nach Serêkaniyê (Ras al-Ain) in Westkurdistan. Aber auch dort ließ der türkische Staat sie als Nachfolger des Osmanischen Reiches nicht in Frieden und zwang sie erneut zur Flucht.
Die Türkei forderte bereits in einem am 29. Juni 1929 geschlossenen Pakt mit der damaligen Mandatsmacht Frankreich eine dreißig Kilometer tiefe „Sicherheitszone“ an der Grenze, aus der die Armenier, Aramäer, Assyrer und Chaldäer Richtung Süden deportiert wurden.
Als der IS 2015 die christlichen Dörfer entlang des Flusses Habur angriff, war Widat Iso eine derjenigen, die den Weg des Widerstands wählte und dabei ums Leben kam. Gegenüber ANF erzählt ihr Cousin Brahim Yuhanna, dass Widat nie geheiratet hat: „Weil sie keinen Bruder hatte, übernahm sie alle Arbeiten, die normalerweise von Männern verrichtet werden. Gleichzeitig kümmerte sie sich um ihre kleinen Schwestern. Sie arbeitete in der Landwirtschaft und ging gleichzeitig zur Schule.“
Widat ging im Dorf Til Hurmuz zur Grund- und Mittelschule, schloss später eine Hochschulausbildung ab und arbeitete im Einwohnermeldeamt in Til Temir. „Sie war sehr selbstlos und fleißig“, erzählt Yuhanna, „außerdem war sie sehr sozial. Bereits im Dorf kümmerte sie sich immer als Erste, wenn jemand Hilfe benötigte.“
Widat war die erste Frau, die sich den bewaffneten Einheiten der „Schützer des Habur“ (Parêzvanên Xabûr) anschloss, berichtet ihr Cousin: „Als der Krieg in Syrien anfing, entstanden überall Gruppen. Widat schloss sich gemeinsam mit uns den ‚Schützern des Habur‘ an. Sie war die erste Frau bei uns. Bei der Verteidigung unserer Dörfer bestand sie immer darauf, auch zur Wache eingeteilt zu werden. Ich hatte einen Laden im Dorf. Die IS-Dschihadisten sind mehrmals ins Dorf gekommen. Wir wussten nicht genau, wer diese Leute waren. Sie beachteten uns auch nicht weiter. Aber später kamen welche mit mittelasiatischen Gesichtszügen. Sie stammten wahrscheinlich aus Kasachstan oder anderen Gegenden in Mittelasien. Diese Leute bedrohten uns. Sie forderten uns auf, die Kirche niederzureißen und alle Kreuze zu zerstören. Wir wehrten uns dagegen. Eines Nachts um drei oder vier Uhr griffen sie an. Möge diese Nacht sich nie wiederholen… Viele junge Menschen wurden getötet. Widat nahm an der Verteidigung der Kirche teil. Sie kämpfte gegen die Dschihadisten. Viele Menschen sind dabei gefallen. Später erfuhren wir, dass Widat verwundet wurde. Als sie keine Munition mehr hatte, wurde sie gefangengenommen. Wir riefen sie an, aber es meldete sich ein Dschihadist an ihrem Telefon. Wie wir später hörten, wurden die Gefangenen erst zum Berg Abdulaziz und von dort aus nach Şedadê gebracht. Einige Personen, die später befreit wurden, erzählten, dass sie Widat unter den Gefangenen in Şedadê gesehen haben. Nach den uns vorliegenden Informationen ist sie exekutiert worden, weil sie bewaffnet gegen die Islamisten gekämpft hat. Genaue Informationen gibt es jedoch nicht. Wir haben nie wieder etwas von ihr gehört. Widat war ein sehr guter und selbstloser Mensch. Sie hat bis zur letzten Kugel Widerstand geleistet.“