Seit die Türkei in ihrer Besatzungszone in Nordsyrien die Trinkwasserpumpstation Elok (Allouk) östlich von Serêkaniyê (Ras al-Ain) vom Netz genommen hat, ist die Wasserversorgung von Nordostsyrien unterbrochen. Über eine halbe Million Menschen im Großraum Hesekê sowie hunderttausende Binnenvertriebene im Umland haben mitten in Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise keinen Zugang zu Wasser. Der türkische Staat nutzt Wasser internationalen Konventionen zuwider systematisch als Kriegswaffe.
Dagegen will ein Familienvater aus Hesekê vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ziehen. Ferhad Hac Derwîş macht die Türkei für die Erkrankung seiner siebenjährigen Tochter verantwortlich. Wie die Nachrichtenagentur ANHA meldet, hat der EGMR den Antrag angenommen. Dabei handelt es sich um ein Novum, da erstmalig eine Klage aus dem Autonomiegebiet Nord- und Ostsyrien gegen die Türkei vor dem Menschenrechtsgerichtshof des Europarats verhandelt wird. Der EGMR nimmt Fälle nur an, wenn im Inland alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Nach Angaben von Rechtsanwältin Sêve Îzolî, die den Fall aus Hesekê vertritt, wurde der Antrag wegen der Kriegssituation in Syrien und der Corona-Pandemie angenommen. Ein weiterer Grund sei, dass der Antragsteller nicht Staatsangehöriger der Türkei ist.
Die Nutzung von Wasser als Kriegswaffe durch die Türkei wird international verurteilt – bisher ohne sichtbare Konsequenzen. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat am vergangenen Freitag „Besorgnis“ über die menschenrechtliche Situation in den türkischen Besatzungszonen in Syrien geäußert. Die Zerstörung von Anlagen wie Wasserwerken, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unentbehrlich sind, sei völkerrechtswidrig: „Die Behinderung des Zugangs zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Strom gefährdet das Leben einer großen Zahl von Menschen. Es handelt sich um eine Gefahr, die im Kampf gegen eine globale Pandemie besonders akut ist”, sagte Bachelet in Genf.
Im August hat sich das Patriarchat von Antiochien angesichts der Wasserknappheit in Nordostsyrien mit einem dringenden Appell an die UNO und Europa gewandt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat bereits im März darauf aufmerksam gemacht, dass COVID-19-Schutz von ausreichender Versorgung abhängt und das türkische Vorgehen menschenrechtswidrig ist.