Til Temir unter Dauerbeschuss

Dreißig Dörfer in der Umgebung der nordsyrischen Kleinstadt Til Temir sind von der Türkei besetzt, 27 Dörfer liegen direkt an der Frontlinie und mussten evakuiert werden. Der Zivilratsvorsitzende Ciwan Eyup erläutert die aktuelle Situation.

Seit der am 9. Oktober 2019 gestarteten Invasion des türkischen Staates in Nordsyrien sind dreißig Dörfer vor Til Temir besetzt worden. Die Angriffe gehen weiter und 27 Dörfer liegen direkt an der Frontlinie. Zahlreiche Menschen sind bei den Angriffen getötet worden, Dutzende wurden verletzt.

Ciwan Mele Eyup ist Ko-Vorsitzender des Zivilrats von Til Temir und hat sich gegenüber ANF zur aktuellen Situation geäußert. Er sagt, dass die Kreisstadt und die umliegenden Dörfer seit knapp zwei Jahren unter Dauerbeschuss der dschihadistischen Söldner des türkischen Staates stehen:

„Es gibt keinen Tag, an dem die Bevölkerung nicht mit Panzern und Granaten angegriffen wird. Wohnhäuser und Felder werden in Brand gesetzt. Die Angriffe auf die Dörfer bei Til Temir und in der Gemeinde Zirgan sind seit einer Woche intensiviert worden. Darunter leidet die Zivilbevölkerung. Viele Menschen haben ihr Leben verloren, Dutzende wurden verletzt. Besonders betroffen ist das Dorf Dirdara, dort sind mitten im Dorf Granaten eingeschlagen.“

Ciwan Eyup weist darauf hin, dass vor der neuen Angriffswelle spezielle Methoden der Kriegsführung gegen die Bevölkerung umgesetzt worden sind: „Die Versorgung mit Wasser und Strom ist unterbrochen worden. Über dreißig Mal ist die Versorgung über das Wasserwerk Elok gekappt worden. Im Kanton Hesekê haben anderthalb Millionen Menschen kein Trinkwasser. Das hat gerade während der extremen Hitze sehr negative Auswirkungen. Vor allem Kinder und Alte sind dadurch krank geworden.“

Die in Til Temir stationierten syrischen Truppen und die russischen Militärs erfüllen ihre Funktion gegen die Angriffe nicht, hält Ciwan Eyup fest: „Die russischen Kräfte haben hier einen Stützpunkt errichtet, aber sie erfüllen ihre Aufgabe nicht. Die türkischen Angriffe werden stillschweigend hingenommen. Es gibt eine Waffenstillstandsvereinbarung mit Russland als Garantiemacht. Die QSD haben sich an das Abkommen gehalten und sich zwanzig Kilometer zurückgezogen. Außer den QSD gibt es jedoch niemanden, der sich an die Vereinbarung hält.“ In Til Temir ist nach der Waffenstillstandsvereinbarung ein eigener Militärrat gegründet worden, der zusammen mit Naturo, den Xabûr-Verteidigungskräfte und den Asayîş für die Sicherheit der Region sorgt, sagt Eyup.

„Russland und die anderen in der Region präsenten Staaten müssen unverzüglich ihrer Verantwortung nachkommen und die Angriffe auf die Zivilbevölkerung stoppen“, fordert der Ko-Vorsitzende des Zivilrats von Til Temir: „Wenn die Angriffe weitergehen, wird es auch hier eine Veränderung der demografischen Struktur wie in Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî geben. Der türkische Staat will auch hier seine Banden ansiedeln. Er will außerdem die Straße M4 kontrollieren, die eine Lebensader Syriens und auch für den Handel wichtig ist. Es muss sofort gegen die Angriffe des türkischen Staates interveniert werden.

Der türkische Staat hat Dschihadisten von Organisationen wie al-Nusra, Ahrar al-Sham und IS losgeschickt, um Til Temir einzunehmen. Das ist bisher verhindert worden. Die christliche, kurdische und arabische Bevölkerung leistet gemeinsam Widerstand, Frauen und Männer. Jetzt belagert der türkische Staat selbst Til Temir. Die Menschen verteidigen sich weiter.“

Ciwan Eyup weist darauf hin, dass in Social-Media-Accounts massive Propaganda betrieben wird. Damit soll der Eindruck entstehen, dass Til Temir bereits entvölkert ist. „Das stimmt nicht. Alle Bevölkerungsgruppen sind ihrer Heimat und den Gefallenen verbunden. Davon zeugt auch der Friedhof der Stadt. Wir werden unsere Stadt nicht verlassen. Als Rat von Til Temir werden wir unsere Arbeit bis zum letzten Blutstropfen fortsetzen.“