Staatsanwaltschaft beantragt über drei Jahre Haft gegen Ali E.

Im Stuttgarter PKK-Verfahren gegen den kurdischen Aktivisten Ali E. wird am Dienstag das Urteil verkündet. Die Staatsanwaltschaft hat über drei Jahre Haft für den 72-Jährigen beantragt, die Verteidigung fordert Freispruch.

In dem seit November gegen den kurdischen Aktivisten Ali E. laufenden PKK-Verfahren vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart wird am 30. Mai das Urteil verkündet. Das teilt der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ mit. In der letzten Verhandlung am Dienstag plädierte die Generalstaatsanwaltschaft auf eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten, die Verteidigung hingegen forderte Freispruch für ihren Mandanten.

Ali E. habe während des Prozesses mehrmals interveniert und an diesem Verhandlungstag das sogenannte „letzte Wort“ ergriffen. Dieser Prozess werde nicht gegen ihn, sondern gegen das gesamte kurdische Volk geführt und das Schicksal des kurdischen Volkes sei auch das seinige, zitiert AZADÎ die Erklärung des 72-Jährigen. „Er konstatierte, dass das gegen ihn geführte Verfahren politisch motiviert sei“, so der Rechtshilfefonds.

Kampf der Kurd:innen als Terrorismus einzustufen, ist zynisch

Ali E. habe an die von AZADÎ als „unvorstellbar grausam“ bezeichneten Folterungen erinnert, die er und tausende andere Gefangene in türkischen Kerkern während der Militärdiktatur Anfang der 1980er Jahre durchlitten hätten – oder daran verstarben. Außerdem habe er von dem „großen Leid der Mütter“ gesprochen, deren Kinder von staatlichen Kräften verschleppt wurden und nie wieder aufgetaucht sind. Mit der Istanbuler „Initiative der Samstagsmütter“ gingen einige von ihnen bis heute auf die Straße und forderten die sterblichen Überreste ihrer vermissten Angehörigen. Tausende solcher Vorkommnisse habe es in dieser Zeit gegeben.

Freiheitskampf als Terrorismus zu diffamieren ist Verleugnung der Realität

„Das ist der Staat, über den der Herr Staatsanwalt sagte, dort könne man leben, es sei kein repressiver Staat“, beklagte Ali E. und führte – mit Verweis auf die Massaker an den Kurd:innen in Dersim 1937/1938 – weiter aus: „Die Schmerzen und das Leid, die dieses Volk erlebt hat, nicht zu sehen und zu sagen, der Kampf, der geführt werde, sei als Terrorismus einzustufen, ist nichts anderes als Zynismus. Es ist ein sich Entfernen von den menschlichen Werten.“ Die Kurd:innen, die heute zur Waffe greifen, würden dies nicht tun, um Forderungen durchzusetzen, sondern, „um ihr Leben zu schützen“. Die Geschichte der Kurd:innen, die Massaker an ihnen und ihren legitimen Freiheitskampf als Terrorismus zu diffamieren, sei eine Verleugnung der Realität.

Unterstützung des türkischen Staates ist unwürdig

Ali E. wirft laut AZADÎ der Staatsanwaltschaft vor, zu behaupten, dass die Türkei kein Besatzerstaat sei. Er bestreite das vehement. Das genaue Gegenteil treffe zu. „Der türkische Staat ist ein kurdenfeindlicher, alevitenfeindlicher, rassistischer Staat, ein demokratiefeindlicher Staat. Einen solchen Staat zu unterstützen, sollte weder der deutschen Justiz noch deren Behörden würdig sein.“

Dazu, dass bei Ali E. Fluchtgefahr bestünde, weshalb er gefangen gehalten werden müsse, entgegnete er, nirgendwo hingehen zu wollen. Es sei „ohnehin so, dass Deutschland den Kampf für die Türkei übernommen“ habe. Es werde aus allen Ländern Europas auf Antrag deutscher Behörden ausgeliefert: „Wohin soll ich also gehen?“

Zu seinem und den anderen politischen Verfahren habe er angemerkt, dass der Terrorismusvorwurf „eine Hülle“ sei, „um gegen die Kurden vorzugehen“. Schließlich gebe es in den Bergen Deutschlands keine kurdischen Kämpfer:innen und auf deutschen Straßen würden sich Kurden und Türken nicht bekämpfen. Ihm würden die politischen deutsch-türkischen Beziehungen und deren Konsequenzen für die Kurd:innen zu schaffen machen. Er bitte darum, angesichts des kurdischen Freiheitskampfes nicht den „faschistischen Erdoğan“ in seinem Vorgehen zu unterstützen.

Ich beantrage meine Entlassung

Er sei jahrelang in türkischer Haft gewesen und nun seit 15 Monaten in Deutschland inhaftiert, „was mir gesundheitlich zu schaffen macht“ – resultierend aus seinem Alter. Er habe weder in der Türkei noch in Deutschland gegen Gesetze verstoßen und sich nichts vorzuwerfen. Er habe sich sein Leben lang für die Interessen des kurdischen Volkes eingesetzt. „Ich habe niemanden verletzt, bin niemandem zu nahegetreten, habe niemanden bedroht.“ Er beantrage seine Entlassung und die Herausgabe seines Handys, Computers, der Fotos und aller Gegenstände, die bei der Durchsuchung beschlagnahmt worden seien.

Die Urteilsverkündung im Verfahren gegen Ali E. findet am Dienstag, 30. Mai, um 11:00 Uhr am OLG Stuttgart (Olgastr. 2) statt.

Bild: Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart (OTKM)