Sicherheitsrisiko durch ausländische IS-Mitglieder in Nordostsyrien

Für die IS-Verbrecher aus über sechzig Ländern, die in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien gefangen gehalten werden, will kein Staat Verantwortung übernehmen. Der Appell an die internationale Öffentlichkeit hat weiter Gültigkeit.

Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) hat am 10. Juni angekündigt, ausländische IS-Mitglieder vor eigene Volksgerichte zu stellen. Vorangegangen waren jahrelange vergebliche Appelle an die Herkunftsstaaten, einen internationalen Gerichtshof für die Ahndung der vom „Islamischen Staat“ begangenen Verbrechen einzurichten. In den Gefängnissen der AANES sitzen mehr als zehntausend IS-Mitglieder aus über sechzig Ländern ein, etwa 60.000 IS-Familienangehörige befinden sich in Lagern wie dem Camp al-Hol.

Khalid Ibrahim

Khalid Ibrahim arbeitet in der Abteilung für Außenbeziehungen der AANES und hat sich gegenüber ANHA zu dem Thema geäußert. „Die meisten Staaten diskutieren noch ihre Haltung zu dieser Frage. Wir haben bei einigen Stellen nach ihrer Position gefragt, aber diese halten sich bedeckt“, teilt Ibrahim mit. Zum einen sei Kontakt zu einigen Mitgliedsstaaten der internationalen Anti-IS-Koaliton hergestellt worden. Darüber hinaus gebe es Kommunikationskanäle mit arabischen Staaten. Von internationalen Rechtsinstitutionen gebe es Fragen hinsichtlich des Verfahrensablaufs und des juristischen Systems, das den Prozessen zugrunde liege. Ibrahim betont, dass Männer, Frauen und Jugendliche im strafmündigen Alter, die Verbrechen gegen die Bevölkerung und die Autonomieverwaltung begangen haben, angeklagt werden sollen. Diese Entscheidung sei notwendig geworden, weil niemand auf die Appelle zur Einrichtung eines internationalen Gerichtshofs reagiert habe, erklärt Ibrahim: „Niemand wollte Verantwortung dafür übernehmen. Dass jetzt von der AANES entschieden wurde, die Prozesse selbst durchzuführen, bedeutet nicht, dass unser Appell an die internationale Öffentlichkeit keine Gültigkeit mehr hat. Wenn Verantwortung übernommen wird, ist die Autonomieverwaltung zur Unterstützung bereit.“

Abdulkarim Omar

Die deutsche Bundesregierung hält die Einrichtung eines internationalen Tribunals „aufgrund unterschiedlich gelagerter internationaler Interessen“ derzeit für nicht durchsetzbar, mahnt jedoch trotzdem die Einhaltung internationaler Rechtsstandards ein. Abdulkarim Omar, AANES-Vertreter in Europa, kommentierte die Äußerungen des Auswärtigen Amtes: „Zunächst danken wir der Bundesregierung für die Unterstützung, die sie Nord- und Ostsyrien im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition gewährt hat, und für das Interesse, das sie an der Organisation fairer Prozesse für IS-Terroristen zeigt. Die lokalen Gerichtsverhandlungen sind notwendig, weil unser Vorschlag eines internationalen Tribunals nicht aufgegriffen wurde. Darüber hinaus finden auch keine Rückholaktionen männlicher IS-Gefangener statt. Dies stellt angesichts wiederholter Fluchtversuche ein ernstzunehmendes Risiko für die Sicherheit und Stabilität der Region dar. Um die von der Bundesregierung angesprochenen internationalen Standards einhalten zu können, haben wir die internationale Gemeinschaft zur Beobachtung der Gerichtsverfahren eingeladen, was bereits auf einiges Interesse gestoßen ist.“