Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien hat an die internationale Gemeinschaft und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) appelliert, den Grenzübergang Yarubiyah (ku. Til Koçer) mit sofortiger Wirkung wieder für grenzüberschreitende humanitäre Hilfe zu öffnen. Die Transporte von Lebensmitteln, Medizin und anderen humanitären Gütern dürften nicht von politischen Überlegungen abhängen oder als Waffe eingesetzt werden, heißt es in einer Stellungnahme der Selbstverwaltung.
1,3 Millionen Menschen auf Hilfslieferungen angewiesen
In den von Angriffskriegen der Türkei, einem mehrfachen Embargo und Terror gegen die Zivilbevölkerung gebeutelten Autonomiegebieten leben mehr als fünf Millionen Menschen. Über ein Viertel der Bevölkerung (1.300.000 Millionen) setzt sich aus Binnenvertriebenen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, zusammen. Doch schon länger zieht eine „humanitäre Katastrophe” auf, vor der die Selbstverwaltung immer wieder eindringlich warnen muss – ohne Erfolg. Yarubiyah war der einzige Grenzübergang, über den offizielle UN-Hilfsgüter unabhängig vom syrischen Regime über den Irak in den Nordosten des Landes gelangen konnten. Seit der Schließung des Übergangs vor anderthalb Jahren läuft die UN-Hilfe über Damaskus und kommt – wenn überhaupt – nur verzögert im Nordosten an. Während von den Hilfslieferungen mehr als 70 Prozent fehlen, sind von den medizinischen Lieferungen nur eine Handvoll in die Region gelangt, aber nur auf alternativen Wegen, obwohl die Gesundheitseinrichtungen mit einem Mangel an Medikamenten konfrontiert sind sowie kaum Medikamente und Ausstattung zur Verfügung haben, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und anderer Krankheiten benötigt werden.
Cross-Border-Hilfe
Von Juli 2014 bis Anfang 2020 ermöglichte eine Resolution des UN-Sicherheitsrats die Bereitstellung humanitärer Hilfe nach Syrien über vier Grenzübergänge. Sie wurde jährlich überprüft und erneuert, um humanitäre Hilfe in Gebieten aufrechtzuerhalten, die nicht unter der Kontrolle des Regimes stehen. In den Jahren 2019 und 2020 legten Russland und China ihr Veto gegen die Verlängerung der Resolution ein, die die zuvor vereinbarten Grenzübergänge umfasste und strichen drei hiervon von der Liste. Daher verbleibt derzeit nur der Grenzübergang Bab al-Hawa in der aktuellen Resolution als formaler humanitärer Grenzübergang nach Syrien, über den Hilfslieferungen aus der Türkei die Provinz Idlib erreichen. Am 10. Juli läuft die Resolution aus, wenn sie nicht verlängert wird. Russland hat allerdings bereits erkennen lassen, dass es einer Verlängerung nicht zustimmen wird. Stattdessen fordert Moskau, dass die Hilfe über die Konfliktlinien innerhalb Syriens geliefert werden sollte, um die Souveränität der Regierung über das gesamte Land zu stärken.
Wichtige Lebensader für Nord- und Ostsyrien
„Der Grenzübergang Yarubiyah ist eine wichtige Lebensader für Nord- und Ostsyrien. Sie zu trennen ist für uns gleichbedeutend mit einer Beihilfe für die Belagerungspolitik gegen die Bevölkerung unserer Region“, kritisiert die Selbstverwaltung. Mit der Zerschlagung der Territorialherrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) 2019 sind die Autonomiegebiete erweitert worden. Durch den Anstieg der Bevölkerung und die Beherbergung zehntausender Vertriebener und IS-Anhänger:innen in Auffanglagern – mit aktuell über 60.000 Menschen ist Camp Hol das größte – für die ihre Heimatländer keine Verantwortung übernehmen, ist ein massiver Versorgungsengpass entstanden. Zwar versuchen die nordostsyrischen Behörden ihr Bestes, um aus dieser Notlage zu geraten. Aber es sind einfach zu viele Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen.
Internationale Kurskorrektur gegenüber Bevölkerung
Nord- und Ostsyrien hat die größte Last im Kampf gegen den IS getragen. Gerade deshalb dürfte es nicht länger ausgehungert werden, fordern die Autonomiebehörden. „Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, Bemühungen für die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Yarubiyah zu unterstützen. Dies wäre ein erster Schritt, den Kurs der globalen Verantwortung gegenüber unseren Völkern zu korrigieren.”