Enttäuschung nach Abkommen
Vertriebene aus dem Kanton Efrîn (Afrin) und der an ihn grenzenden Region Şehba verurteilten gegenüber der Nachrichtenagentur ANHA die Behörden in Damaskus und die internationalen Verantwortlichen für ihre Unfähigkeit, die sichere Rückkehr der Vertriebenen in ihre Gebiete zu ermöglichen. Die heute in Aleppo lebenden Binnenvertriebenen erklärten, dies untergrabe das Vertrauen der Bevölkerung in diese Parteien und stelle ihre Integrität in Frage.
Der Interimspräsidenten Syriens und HTS-Führer Ahmed al-Scharaa alias Abu Muhammad al-Dschaulani und der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) Mazlum Abdi hatten am 10. März ein Abkommen zur Zukunft Syriens geschlossen, welches explizit die „Gewährleistung der Rückkehr aller vertriebenen Syrerinnen und Syrer in ihre Städte und Dörfer und Gewährleistung ihres Schutzes durch den syrischen Staat“ umfasste. Die aus Efrîn und Şehba Vertriebenen betonten, dass jede Rückkehr vom vollständigen Abzug der türkischen Besatzungssöldner aus dem Gebiet abhängig gemacht würde.
Doppelte Vertreibung
Muhammad Ali Arif, ein Flüchtling aus Efrîn, sagte: „Wir sind vor sieben Jahren vertrieben worden. Ende letzten Jahres wurden wir erneut vertrieben, als wir gezwungen wurden, Şehba zu verlassen, als die türkischen Besatzungssöldner ihre Besetzung auch dieses Gebiets erklärten. Dies geschah nachdem wir uns dort fast sieben Jahre lang in Lagern und unter harten humanitären Bedingungen gewehrt hatten.“
Nach einer zweimonatigen großangelegten Militärinvasion hält das türkische Militär den zuvor selbstverwalteten Kanton Efrîn im Westen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) seit dem 18. März 2018 besetzt. Ein großer Teil der ursprünglichen Bevölkerung lebte anschließend unter prekären Bedingungen in Flüchtlingslagern unter anderem in der angrenzenden Region Şehba. Im Schatten des Assad-Sturzes vergangenen Dezember überfiel das von der Türkei gesteuerte Milizenbündnis „Syrische Nationalarmee“ (SNA) Şehba und hält die Region seither ebenfalls besetzt. Hierdurch wurden viele Menschen zum zweiten Mal vertrieben.
Glaubwürdigkeit schwindet
Die Legitimität der Übergangsregierung in Damaskus steht für Arif in Frage. Mit Verweis auf das Abkommen vom 10. März sagte er: „Es war ein guter Schritt, um die Rechte der Gemeinschaften zu sichern und ihre persönlichen Belange zu schützen. Eine der wichtigsten Bestimmungen des Abkommens war die Gewährleistung der sicheren Rückkehr der Vertriebenen. Aber das Versäumnis, diesen Worten Taten folgen zu lassen, untergräbt seine Glaubwürdigkeit.“
Er beschuldigte die Behörden in Damaskus, den Rückkehrprozess zu verzögern, und erklärte: „Die Autonomiebehörde trägt dazu bei, dass dieses Abkommen ein Erfolg wird, aber das Zögern der Behörden in Damaskus verlangsamt die Umsetzung seiner Bestimmungen.“
Eine Rückkehr ist aktuell gefährlich
Die Unmöglichkeit der Rückkehr unter den aktuellen Bedingungen der türkischen Besatzung untermauerte Arif mit konkreten Erfahrungen: „Es gibt einige wenige Fälle von Vertriebenen, die nach Efrîn zurückkehren, aber sie werden von Söldnern der türkischen Besatzung bedroht und erpresst. Es liegt in der Verantwortung der Behörden in Damaskus, diese lähmenden Operationen zu stoppen, und ihr Schweigen heute ist nicht nur ungerechtfertigt, sondern trägt auch nicht dazu bei, das Vertrauen in diese Behörde zu stärken.“ Auch Adoul Hamoud Safar, ebenfalls Binnenflüchtling aus Efrîn, bekräftigte die Notwendigkeit eines vollständigen Rückzugs der türkischen Besatzung und ihrer Söldner und betonte, dass die Behörden in Damaskus verpflichtet seien, die türkische Besatzung und ihre Söldner zu vertreiben.
„Internationale Mächte schweigen, weil die Opfer kurdisch sind“
Sabri Ali wurde aus demselben Kanton vertrieben, verurteilte die Gräueltaten und Einschüchterungen, denen die Bevölkerung im besetzten Efrîn durch die Söldner ausgesetzt ist, und erklärte: „Sobald die Besatzer vollständig abgezogen sind, werden wir zurückkehren. Wir beobachten wie immer, dass die internationalen Mächte schweigen, weil die Opfer kurdisch sind. Sie müssen ihr Schweigen beenden und für die sichere Rückkehr der Vertriebenen sorgen. Während sie weiterhin Vertriebene bleiben, hat sich ihre Geduld erschöpft.“
Bilder © ANHA