QSD-Kommandant Akif Hesekê: Wir werden die Besatzung beenden
Der QSD-Kommandant Akif Hesekê äußert sich im Interview zu den türkischen Besatzungsplänen und den Aussichten des Widerstands in Nordostsyrien und Rojava.
Der QSD-Kommandant Akif Hesekê äußert sich im Interview zu den türkischen Besatzungsplänen und den Aussichten des Widerstands in Nordostsyrien und Rojava.
In einer Auswertung der Besatzungsangriffe der Türkei auf Nordostsyrien erklärt Akif Hesekê als einer der Kommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), dass nicht nur die Errungenschaften des kurdischen Volkes auf dem Spiel stehen, sondern der gemeinsame Fortschritt aller in der Region lebenden Menschen. Im ANF-Interview hat er sich zu den türkischen Besatzungsplänen und den Aussichten des Widerstands dagegen geäußert.
Warum hat der türkische Staat Girê Spî (Tall Abyad) und Serêkaniyê (Ras al-Ain) in seinem Besatzungsplan für Rojava als erstes Angriffsziel festgelegt? Welche strategische Rolle spielt diese Region?
2011 hat in Rojava ein Revolutionsprozess begonnen. Diese Revolution wurde von Millionen Menschen und Tausenden Gefallenen getragen. Im Verlauf des revolutionären Prozesses wurde in Rojava auch dem IS und ähnlichen Gruppierungen eine Niederlage zugefügt. Danach entstand in der Region ein Leben, das auf der Geschwisterlichkeit der Völker aufbaute und Wohlstand, Ruhe und Sicherheit bedeutete. Für den türkischen Staat war die Niederlage des IS eine große Gefahr. Er sah sie als eigene Niederlage und entwarf einen neuen Vernichtungsplan gegen die Region, in den er die Dschihadisten einbaute, die sich ihm ausgeliefert hatten.
Dieser Vernichtungsplan sah einen Angriff mit dschihadistischen Gruppierungen auf Nord- und Ostsyrien vor. Die erste Invasion fand in Efrîn statt. Ziel war von Anfang an nicht nur die Besatzung von Efrîn, sondern die Zerstörung der in der gesamten Region erreichten Entwicklungen. Die Angriffe sollten weiter ausgedehnt werden. Aus diesem Grund richteten sie sich jetzt gegen Serêkaniyê und Girê Spî. Natürlich gehen die Drohungen Erdoğans und seiner Banden weiter. Auch der IS wollte diese Region beherrschen.
Dass gerade Serêkaniyê und Girê Spî so stark angegriffen werden, liegt darin begründet, dass hier Menschen verschiedenster ethnischer und kultureller Herkunft friedlich zusammengelebt haben und die Region als Wiege der Menschheitsgeschichte gilt. Auch wir haben unseren Kampf in der Region um Serêkaniyê begonnen und unser Widerstand geht weiter. Deshalb wird die Region angegriffen. Der türkische Staat will diese Entwicklung verhindern und unseren Kampf scheitern lassen. Ein weiterer Grund ist die Absicht, die Verbindung zwischen den Regionen Cizîrê und Kobanê zu unterbrechen und die Kontrolle über die Straße M4 zu erlangen. Die Taktik der Türkei folgt der Logik „Spalten – Angreifen – Besetzen“.
Auf die M4 finden südlich von Girê Spî in der letzten Zeit massive Angriffe des türkischen Staates statt. Was bezweckt die Türkei mit der Einnahme dieser Straße?
Erdoğan hat sich auf diplomatischer Ebene im Ausland um die Unterstützung seines Plans, in Nordsyrien Flüchtlinge unterzubringen, bemüht. Als die Ausgangslage gegeben war, hat er mit einer militärischen Invasion ein Gebiet besetzt. Bekanntlich haben die Angriffe zu einem besonderen Datum begonnen. Der 9. Oktober 1998 steht für den Beginn des internationalen Komplotts gegen Abdullah Öcalan und genau an diesem Tag hat die Invasion angefangen. Nach Serêkaniyê und Girê Spî ist das eigentliche Ziel die M4, weil sie von strategischer Bedeutung ist. Es handelt sich um eine internationale Verbindungsstraße, die für den Verkehr und den Handel sowie in militärischer Hinsicht wichtig ist.
Die Straße verbindet die Region Cizîrê mit Aleppo, Damaskus und Kobanê. Um die Region zu kontrollieren, ist dieser Weg wichtig. Aus diesem Grund spricht die Türkei auch von einer 32 Kilometer weit ins Landesinnere reichenden Sicherheitszone. Diese Kilometerzahl ist Teil des Besatzungsplans, der die Kontrolle über die M4 beinhaltet. Mit der Einnahme dieser Straße soll die Besatzung der gesamten Region vorbereitet und die Verbindung zwischen Kobanê und Cizîrê unterbrochen werden. Gleichzeitig stellt die Straße einen wichtigen Versorgungsweg für die Menschen in der Region dar. Aus diesem Grund werden auch Şergirak und Ain Issa angegriffen. Der türkische Staat und seine Söldner greifen diesen von den QSD kontrollierten Verkehrsweg sehr geplant an.
Die QSD haben Abkommen mit verschiedenen Staaten geschlossen, um die Invasion zu stoppen. Es wurde über eine Waffenruhe gesprochen. Inwieweit hat wirklich eine Waffenruhe stattgefunden?
Mit dem Widerstand der QSD in Serêkaniyê und Girê Spî wurde zwischen den USA und der Türkei eine Waffenruhe erklärt. Diese Angelegenheit ging auch uns etwas an und wir waren an dem Prozess beteiligt. Die Ergebnisse einiger Gespräche sind offiziell über die Medien bekannt gegeben worden. In der Praxis wurde das Waffenstillstandsabkommen vom türkischen Staat und den Dschihadisten nicht umgesetzt. Die Angriffe dauern an. Das bedeutet, dass internationale Kräfte wie die USA und Russland darüber hinwegsehen. Die während der vereinbarten Waffenruhe verübten Angriffe finden mit ihrer Zustimmung statt. Auch auf technischem Gebiet sorgen sie für Vorteile der Türkei. In der Öffentlichkeit geben sie sich anders.
Was sind Ihre Argumente für den Widerstand in der Anfangszeit und zukünftig? Wie wird es weitergehen? Können Sie etwas zu den Aussichten und den Methoden Ihres Kampfes sagen?
Der Kriegszustand in der Region hält weiter an. Der türkische Staat will seine Besatzungszone ausweiten und setzt seine Angriffe aus diesem Grund fort. Sein Vernichtungsplan ist noch nicht abgeschlossen. Als QSD nehmen wir die Besatzung nicht hin. Unsere Haltung ist darauf ausgelegt, die Besatzung unseres Bodens und die Zerstörung unserer Errungenschaften abzuwehren. Unser Hauptziel ist, die Dschihadisten aus der Region zu drängen und die Besatzung zu beenden. Zwar sind die Angriffe aus taktischen Gründen teilweise eingestellt worden, aber wir alle wissen, dass Expansionsbestrebungen weitergehen werden.
In der momentanen Phase werden die Vorbereitungen dafür getroffen. Damit einhergehend werden auch Methoden der psychologischen Kriegsführung gegen die Bevölkerung Nord- und Ostsyriens angewendet. Der türkische Staat will den IS wiederbeleben, eine solche Stimmung soll in der Region geschaffen werden. Auf dieser Grundlage basieren die letzten Angriffe. Als QSD werden wir unseren Kampf fortsetzen, wobei die Taktik den jeweiligen Umständen entsprechend aktualisiert wird. Ich muss es noch einmal sagen, das Angriffsziel ist nicht nur das kurdische Volk, sondern betrifft die gemeinsamen Errungenschaften aller Völker der Region. Im Visier steht der Willen der Bevölkerung.
Auch die Bevölkerung leistet weiter Widerstand. In dieser Zeit des Widerstands mussten die Menschen wegen der Besatzung ihre Heimat verlassen, Kinder wurden verletzt und sind gestorben. Das bedeutet, dass der Widerstand weitergeht und die Besatzung abgelehnt wird. Als QSD verfolgen wir das Ziel, zur Selbstverteidigung die Besatzung zu beenden und unser Land vom türkischen Staat und seinen Dschihadisten zu befreien. Die Besatzung wird gemeinsam mit der Bevölkerung beendet werden und die Menschen werden ihr Leben in den befreiten Gebieten fortsetzen.
Welchen Einfluss hat die türkische Invasion auf den Kampf gegen den IS? Wie bekämpfen Sie die erneut aufgetauchten IS-Mitglieder?
Hinter der Besatzung steht die Absicht, Rache für die Niederlage des IS zu üben. Der IS wurde mit dem Willen der Bevölkerung und dem Kampf der QSD besiegt und die Angriffe des IS wurden in der Region zurückgeschlagen. Die türkische Invasion bedeutet eine Neuauflage der IS-Manier in der Region. Das ist das eigentliche Ziel. Am Anfang sollte es mit dem IS stattfinden, aber dieser Versuch ist gescheitert. Jetzt soll das Ziel mit anderen dschihadistischen Gruppen erreicht werden. Nicht nur hier, auch in Idlib, in Libyen, im Irak und in Gebieten in Syrien besteht eine Verbindung zwischen dschihadistischen Organisationen und dem türkischen Staat. Die Türkei leistet materielle und militärische Unterstützung.
Das ist den internationalen Kräften bekannt. Die Situation ist auch durch die hiesigen dschihadistischen Strukturen offensichtlich. Die Besatzung wird mit Dschihadisten vollzogen. Natürlich finden daher vermehrt Angriffe in der Region statt, wie auch aus den Anschlägen auf Zivilisten in der letzten Zeit zu sehen ist. Unser Kampf dagegen wird zusammen mit der lokalen Bevölkerung auf jedem Gebiet mit verschiedenen Methoden fortgesetzt werden. Zu diesem Thema hat sich auch die Kommandantur der QSD bereits geäußert. Für uns gibt es keinen Unterschied zwischen dem türkischen Staat, dem IS und der Arteşa Azad [Freie Armee]. Ihre Ziele sind die gleichen. Unser Ziel ist das Ende der Besatzung und die Befreiung unseres Landes vom türkischen Staat und seinen Banden.