„Marsch der Würde: Gegen Besatzung und Verrat“ in Kobanê

In Kobanê hat ein Massenprotest gegen die militärische Aggression der Türkei in Südkurdistan stattgefunden. Der Protest richtete sich gleichermaßen gegen die politischen Kräfte in Hewlêr.

Nach der Großdemonstration in Qamişlo ist heute auch in Kobanê mit einem „Marsch der Würde“ gegen die militärische Aggression der Türkei in Südkurdistan protestiert worden. Tausende Menschen aus der Euphrat-Region im westlichen Teil Kurdistans (Rojava/Nordsyrien) versammelten sich dazu ab den Mittagsstunden am Platz der freien Frau, um lautstark und kämpferisch durch die Stadt zu ziehen.

Zur Demonstration mit dem Titel „Marsch der Würde: Gegen Besatzung und Verrat“ aufgerufen hatten ebenfalls zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien, die im Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien aktiv sind. Die Wut der Menschen richtet sich aber nicht nur gegen die türkische Regierung, die aus territorialen Machtansprüchen heraus völkerrechtswidrige Angriffe auf Regionen jenseits der eigenen Staatsgrenzen führt. Die Entrüstung vieler Kurdinnen und Kurden kanalisiert sich auch gegen die PDK als dominierte Kraft der Regionalregierung in Südkurdistan. Seit Ende April werden dort die Regionen Avaşîn, Zap und Metîna von der türkischen Armee im Rahmen einer breitangelegten Besatzungsoperation angegriffen. PDK-Truppen unterstützen die türkischen Militäraktionen.

Teilnehmende stimmen sich beim Tanzen auf die Demonstration ein

Vermutlich deshalb fielen bei dem Marsch immer wieder auffallend oft die Parolen „Es lebe der Widerstand der Guerilla“, „Nieder mit Verrat“ und „Lang lebe Apo“. An der Spitze liefen Aktivistinnen und Aktivisten der Jugendbewegungen aus dem Autonomiegebiet sowie Mitglieder des Rates von Gefallenen. Auf zahlreichen Transparenten und Plakaten stand die Forderung: „Nein zu neuen Genoziden – Nein zu neuen Komplotten“. Die Demonstration endete aber nicht wie geplant am türkischen Grenzübergang, sondern bereits auf dem Friedensplatz Aşitî. Dort mündete der Marsch in eine abschließende Kundgebung. Bevor es losging, wurde eine Schweigeminute für die Gefallenen der Rojava-Revolution und kurdischen Befreiungsbewegung abgehalten.

Viele ältere Frauen unter den Demonstrierenden

Als erster Redner trat Mihemed Şahin, Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der Selbstverwaltung der Euphrat-Region, auf die Bühne. Der Politiker begann seine Ansprache mit einem kurzen Umriss der Vergangenheit des türkischen Staates und dessen Vorgängern und äußerte, dass das kurdische Volk bereits „seit Jahrhunderten“ in seinem Siedlungsgebiet Widerstand gegen Vertreibung, Besatzung und Genozid leiste. Heute habe der „exzessive territoriale Expansionismus der türkischen Republik“ aber eine noch nie dagewesene Stufe erreicht. Es liege in der Verantwortung aller Völker in der Region, sich gegen die Ambitionen in Ankara zu „positionieren“ und denjenigen Beistand zu leisten, die für die „Errungenschaften“ der Kurd:innen einstehen: „Würde die Guerilla der kurdischen Befreiungsbewegung nicht Widerstand gegen die türkische Besatzung leisten, wären die Folgen nicht nur für die kurdische Gesellschaft verheerend. Der neoosmanische Expansionismus nimmt alle Völker des Nahen- und Mittleren Ostens ins Visier. Deshalb gilt es, dass wir uns verbinden. Nur so kann die Region aufatmen und sich den Weg zum Frieden ebnen.“

Mitglieder der kurdischen Jugendbewegung

Der Ko-Vorsitzende des Exil-Kantonsrats von Girê Spî (Tall Abyad), Hamid al-Abid, verurteilte das Schweigen der internationalen Gemeinschaft angesichts der türkischen Militäraktionen in Südkurdistan. „Gleichermaßen protestieren wir dagegen, dass weiterhin nichts dagegen unternommen wird, dass die nordsyrischen Städte Efrîn, Cerablus, Serêkaniyê und Girê Spi nach wie vor von der Türkei und ihren dschihadistischen Partnern besetzt sind und die demografische Zusammensetzung dieser Orte zugunsten von Islamisten aus anderen Gebieten Syriens oder aus dem Ausland verändert wird.” Statt sich gegen faschistische Staaten wie die Türkei es sei zu positionieren und türkische Verbrechen in Kurdistan zu verhindern, werde das Selbstbestimmungsrecht der Völker in nahezu allen Ländern mit Füßen getreten, sagte Al-Abid. Die Menschen Nord- und Ostsyriens seien jedoch fest entschlossen, auch diesem Unrecht entgegenzuwirken.