Die Auseinandersetzungen zwischen der Dschihadistenallianz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und der unter türkischer Regie aufgebauten „Nationalen Befreiungsfront“ (NLF) hatten am Dienstag in der Kleinstadt Darat Izza, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Aleppo begonnen und haben sich inzwischen auf die angrenzenden Provinzen Hama und Idlib ausgeweitet. Die Türkei tritt bei den Syrien-Gesprächen in Astana und Sotschi als Garantiemacht in Vertretung dieser Milizen auf.
HTS versucht die Grenzen unter Kontrolle zu bekommen
In Darat Izza hatte der Al-Qaida-Ableger HTS zunächst das Dorf Taqad und den Berg Sheikh Barakat erobert. Auf dem fast 900 Meter hohen und strategisch bedeutenden Gipfel, der etwa an der Grenze zwischen dem Kanton Efrîn und der Provinz Idlib liegt, richtete die türkische Armee im Oktober 2017 ihren ersten Beobachtungsposten ein. Mittlerweile steht die gesamte Kleinstadt unter Kontrolle der Dschihadistenallianz. Die NLF versucht unterdessen ihre Verbindungspunkte mit der Türkei wieder unter Kontrolle zu bekommen. HTS hat ebenfalls das direkt gegenüber dem türkischen Grenzstützpunkt Bükülmez bei Reyhanlı auf syrischem Territorium gelegene Atme-Flüchtlingslager besetzt und rückt weiter nach Osten vor. So soll die Verbindung der NLF nach Efrîn abgeschnitten werden. Nach den Gefechten besetzten die HTS-Milizen das Dorf Qile in Efrîn-Cindirês. Die türkeiabhängige NLF mit ihren 23 Mitgliedsgruppen hat die Mobilisierung gegen HTS ausgerufen und erhält Verstärkung aus Efrîn, Dscharablus und al-Bab.
Türkeitreue Gruppen eröffnen Front im Süden
Nach dem Vorrücken von HTS hat die NLF Fronten im Süden von Idlib eröffnet und mehrere Dörfer erobert.
Die kämpfenden Gruppen
Das Bündnis HTS ist eine Allianz aus al-Nusra, Jaish al-Sunna, Jund al-Aqsa, Liwa al-Haqq, Jaish al-Ahrar, Hurras al-Din, Ansar al-Din und weiteren größeren und kleineren Gruppen.
Die NLF besteht unter anderem aus den HTS-Abspaltungen Ahrar al-Sham, Harakat Nour al-Din al-Zenki, Faylaq al-Sham, Jaish al-Idlib, Jaish al-Nukhba, Jaish al-Nasr, Firqat al-Hamza und Ahrar al-Sharqiya.
Regime und Russland greifen aus der Luft an
Während die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Milizen weiter anhalten, greifen die russische sowie die syrische Luftwaffe im Süden und Südwesten von Idlib Stellungen der Dschihadisten an.
Lawrow: Wir haben uns verständigt
Auffällig ist, dass die Kämpfe nach dem Treffen einer Abordnung türkischer Regierungsvertreter in Moskau begannen. Thema der Gespräche am 29. Dezember waren die Vorbereitungen für eine Invasion in der nordsyrischen Stadt Minbic. Nach dem Treffen hatte Russlands Außenminister Sergei Lawrow erklärt, man habe eine Einigung gefunden, wie man die Terrorbedrohung im Land koordiniert beenden werde. Aus Ankara waren zu den Gesprächen der türkische Außenminister, der Verteidigungsminister, der MIT-Chef und der Erdoğan-Sprecher angereist.
Kontrollierte Gefechte
Der türkische Staat hüllt sich zu den Gefechten in Idlib in Schweigen. Es heißt, Ankara werde bis zum Besuch in Washington die Kämpfe in Idlib im kontrollierten Rahmen weiterlaufen lassen und sie ignorieren. Die Gespräche mit Moskau und Washington werden den Kurs der Türkei definieren. Den Ergebnissen entsprechend wird es zu neuen Planungen bezüglich HTS und NLF kommen.