Jac Holmes: Der Kampf gegen IS wird überall geführt

Jac Holmes ist ein britischer Freiwilliger in den Volksverteidigungseinheiten (YPG – Yekîneyên Parastina Gel). Er stammt aus Bournemouth im Süden Englands und ist bereits zum dritten Mal in Rojava, um in den Reihen der YPG zu kämpfen.

Jac Holmes gab sein Leben in England auf, lernte Kurdisch und wurde eines der bekanntesten Gesichter der internationalen Freiwilligen der YPG.

Wie wurdest du Teil des kurdischen Kampfes in Rojava? Wie wurdest du auf die Kurd*innen aufmerksam?

Ich beschäftigte mich intensiv mit dem syrischen Bürgerkrieg und stieß dabei auf die YPG und die Kurd*innen in Rojava. Ich fand heraus, dass sie Freiwillige aufnahmen und entschloss mich anzuschließen.

Was ist deine Motivation? Hast du persönliche Gründe dich diesem Kampf anzuschließen?

Es ist eine Kombination. Ich will den Menschen helfen und gegen das Böse kämpfen.

Es gibt mehrere Freiwillige aus Großbritannien die anscheinend einen ähnlichen Weg haben. Würdest du sagen ihr teilt das gleiche Ziel im Kampf gegen den IS oder variieren die Beweggründe grundlegend?

Die meisten haben die gleichen Gedanken, sie wollen den Menschen hier in Rojava und Syrien helfen gegen das Böse, den IS zu kämpfen. Es gibt aber auch eine Menge Menschen die ein großes Interesse haben die Revolution in Rojava zu unterstützen und nicht einfach nur im Krieg zu kämpfen.

Wie kommunizierst du mit den Kurd*innen in Rojava?

Ich habe gelernt Kurdisch zu sprechen, zwar nicht fließend, aber genug um meine Bedürfnisse mitzuteilen und die Menschen um mich herum zu verstehen.

Die gravierenden Unterschiede zwischen dem Leben in Großbritannien und hier in Rojava müssen ein Schock gewesen sein. Alleine in einem Kriegsgebiet mitten im Mittleren Osten. Was war für dich die größte Herausforderung in Bezug auf deine Umwelt?

Die größte Schwierigkeit ist die Sprache, danach die Kultur. Es gibt erhebliche grundlegende Unterschiede zwischen den Kulturen des Mittleren Ostens und denen des Westens, damit meine ich, man muss sensibel sein, die verschiedenen ‚Regeln‘ wahrnehmen, sich anpassen und respektvoll sein. Ein weiteres Problem ist sicherlich die Ernährung. Wir essen hier ganz anders als in unserer Heimat und die Nahrung ist oftmals eher einseitig. Die meisten Gerichte bestehen aus Bohnen, Reis, Nudeln, Brot und Suppe.

Wie sind die Vorbereitung für den anstehenden Kampf um Raqqa?

Die YPG macht große Fortschritte und rückt immer weiter auf Raqqa zu. Aktuell sind wir nur noch 20-25km von der Stadtgrenze entfernt und haben unzählige Dörfer und Gegenden befreit. Die Ostfront in Kürze bereit vorzurücken, vielleicht bereit in wenigen Tagen. Wir kommen Raqqa immer näher, wir werden sehen was die YPG als nächstes geplant hat.

Wie ist der Umgang der britischen Regierung mit den von dort stammenden Freiwilligen?

Die britische Regierung hat uns Freiwillige scharf im Blick. Wir wurden alle bereits vorübergehend festgenommen und befragt, ich selber bereits schon mehrmals. Die Regierung weiß alles über uns und was wir hier tun. Sie würden es bevorzugen, wenn wir nicht hier wären, um dass zu tun, was wir tun, aber es ist nicht verboten und wir haben die Freiheit dazu.

Es gibt verschiedene Berichte wonach militärische Einheiten aus anderen Ländern an der Seite der YPG in Rojava kämpfen. Kannst du dies bestätigen und wenn ja, welche Länder? Hast du einige dieser Einheiten getroffen?

Es gibt mehrere Spezialeinheiten der NATO hier, sie koordinieren sich mit der YPG und bieten Unterstützung an. Ich bin selber auf US-Amerikaner und Franzosen getroffen. Außerdem habe ich von deutschen, kanadischen und britischen Einheiten gehört, die ebenfalls mit der YPG arbeiten.

Gibt es einen besonders Moment oder Erinnerung aus deinen Reisen nach Rojava?

Ein Moment den ich nie vergessen werde ist sicherlich jene, als ich während eines Gefechts im Frühjahr 2015 angeschossen wurde. Aber eigentlich habe ich so viele gute und schlechte Erinnerungen von hier. Es gibt viele besondere Erinnerungen aus den Operationen an denen ich beteiligt war, vor allem an die Menschen die ich kennen lernte, mit denen ich lebte und kämpfte, Kurd*innen, Araber*innen und Internationalist*innen – genauso die Freund*innen die ich während meiner Zeit hier verloren habe.

Auch aktuell befindet sich ein britischer Freiwilliger der gefallen ist auf dem Heimweg nach Großbritannien. Einer der ersten Gefallenen war Kosta Eric Scurfield. Hast du irgendwelche Erinnerungen an ihn, die du teilen möchtest?

Kosta war ein großartiger Mensch und ein guter Kämpfer. Ich habe nie jemanden getroffen, der ein schlechtes Wort über ihn verloren hat. Er war ein wirklicher Kämpfer, der von allen die ihn kannten vermisst wird.

Es scheint eine bedeutende Anzahl an internationalen Freiwilligen in der YPG zu geben. Weißt du wie viele Freiwillige hier sind und in wie vielen Brigaden sind sie?

In den vergangenen Jahren sind der YPG rund 500 Freiwillige beigetreten. Aktuell sind es zwischen 50 und 100. Normalerweise sind sie in kurdischen Einheiten stationiert, aber es gibt auch ein paar ausschließlich aus Freiwilligen gebildete Einheiten in der YPG.

Hast du eine Nachricht an die britische Öffentlichkeit?

Meine Botschaft an die britische Öffentlichkeit ist: Der IS ist nicht nur ein Problem in Syrien und dem Irak, er ist ein Problem für jeden Menschen auf dieser Welt. Uns muss bewusst werden, was an den Orten passiert in denen der IS aktiv ist und etwas tun, bevor die Gefahr an unserer Türschwelle steht.

Hast du eine Botschaft an die kurdische Jugend?

Der kurdischen Jugend möchte ich sagen, egal wo ihr auf dieser Welt lebt, ihr seid Kurd*innen und werdet es immer sein. Ihr müsst die kurdischen Sprachen lernen und eure Kultur und Identität verteidigen. Ich denke nicht, dass alle hierher kommen müssen, um zu kämpfen, nicht alle können das. Es gibt vieles was man tun kann, um zu helfen, wie Gelder zu sammeln und ein Bewusstsein über den Freiheitskampf zu verbreiten. Ich begrüße all diejenigen, die kämpfen wollen. Es gibt keinen Grund, warum ihr nicht das Gleiche machen könnt, wie wir ausländischen Freiwilligen. Kommt nach Rojava, bleibt für ein halbes Jahr, sammelt Erfahrungen und macht euch ein eigenes Bild.

Was denkst du über den Waffendeal zwischen Theresa May und dem türkischen Staat vergangene Woche, zusätzlich zu den vergangenen Waffendeal der vergangenen zwei Jahre über 350 Millionen Pfund?

Ich denke die Menschen müssen als widerliche Begründung für die britische Regierung und speziell Theresa May herhalten. Die einzige Sache über die sie sich sorgen ist Geld, sie sorgen sich weder über die Zukunft Englands, noch über das Wohlergehen und die Stabilität des Mittleren Ostens. Die Menschen, die diese Parasiten in ihre Ämter gewählt haben, sollten sich ernsthaft Gedanken über ihr Vermächtnis und die Zukunft machen, die sie ihren Kindern übergeben werden.

Welche Teile Rojavas hast du während deiner Kämpfe bereits gesehen?

Ich war bereits überall im Kanton Cizîrê, in Tel Hamis, Tel Tamer, Abdulaziz, den Süden von Abdulaziz, al Hawl und die ersten Gebiete im Norden Raqqas während der laufenden Operation.

Willst du abschließend noch ein paar Worte über den britischen Freiwilligen Ryan Lock sagen, der im Kampf gegen den IS gefallen ist?

Ich traf Ryan in Silêmanî bevor er nach Rojava ging. Er war ein toller Kerl, er hatte ehrbare Absichten, wie viele von uns wollte er Menschen helfen und gegen das Böse, den IS kämpfen.