IS-Verantwortlicher Abu Kerem: Abmachungen zwischen Türkei und IS

Der von den YPG festgenommene hochrangige IS-Verantwortliche Abu Kerem berichtet von seinem Werdegang in verschiedenen islamistischen Organisationen und legt die Unterstützung der Türkei für den IS offen.

Mit Adil Musa Abdouljezar, kurz Abu Kerem, haben die Volksverteidigungseinheiten (YPG) am 11. August einen hochrangingen IS-Verantwortlichen festgenommen. Dieser hatte zuvor bereits in Palästina und Libyen in den Reihen islamistischer Organisationen gekämpft und gearbeitet. Zuletzt war er in Raqqa für geheimdienstliche Aktivitäten des IS verantwortlich. Nun berichtet er gegenüber der Nachrichtenagentur ANHA über seinen Werdegang in den Reihen verschiedener islamistischer Organisationen und über die weitreichende Unterstützung der Türkei für den sogenannten Islamischen Staat.

Abu Kerem kämpfte zunächst im Gaza-Streifen für die islamistische Organisation Jund Ansar Allah, einem Ableger von al-Qaida in Palästina. Dort stieg er schnell zur zweitwichtigsten Persönlichkeit der Organisation auf. Im Gaza-Streifen wurde Abu Kerem allerdings von der Hamas festgenommen und saß zunächst für ein paar Jahre in Haft. Nach seiner Freilassung entschließt er sich, nach Libyen auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Auch hier steigt er schnell auf und wird in Bengasi zum Chef der geheimdienstlichen Aktivitäten der Organisation berufen.

Mithilfe der Türkei nach Syrien geschleust

Dann beordert ihn der „Islamische Staat” nach Syrien. Die Reise wird organisiert vom türkischen Geheimdienst MIT. Mit einem gefälschten Reisepass gelangt Abu Kerem nach Istanbul, von dort geht es weiter mit dem Flieger zur Grenzstadt Antakya. Der MIT schleust ihn schließlich über den Grenzübergang Bab Selama bei Idlib nach Syrien.

Bereits im libyschen Bengasi sei Abu Kerem berichtet worden, dass Überreisen von IS-Kämpfern eine Aufgabe des türkischen Geheimdienstes sei. „Als wir die Reise anbrachen, hatte der MIT schon alles organisiert. Meine Freunde und ich wurden durch den MIT nach Syrien gebracht. Am selben Tag passierten mit uns Dutzende Menschen die Grenze”, so Abu Kerem.

In Syrien übernimmt er dann wieder die Verantwortung für die Geheimdienstaktivitäten des IS. Zunächst arbeitet er in Bab. Später wird er nach Raqqa geschickt, um dort eine Geheimdienstorganisation mit dem Namen Jashil al-Sadik aufzubauen. Wegen seiner Kampferfahrung in Palästina genießt er Wertschätzung innerhalb der Organisation. Für knapp eineinhalb Jahre leitet er in Raqqa den Geheimdienst des IS. Rund einen Monat vor der Befreiung Raqqas durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) wird er aus der Stadt herausgeholt und nach al-Mayadin versetzt.

Türkische Unterstützung für den IS war offensichtlich

Abu Kerem berichtet, dass er in Syrien die Unterstützung der Türkei für den IS in aller Offenheit sehen konnte. So waren demnach die Flughäfen in Istanbul und Antakya zu üblichen Durchgangsstationen für IS-Kämpfer geworden. „Die türkische Grenze war für uns und unsere Waffenlieferungen stets offen. Der türkische Geheimdienst ermöglichte unsere Einreise nach Syrien. Auch heute hält die Unterstützung der Türkei für den IS oder al-Nusra weiter an. Die IS-Mitglieder und ihre Familien waren frei darin, die Grenze zwischen der Türkei und Syrien zu passieren. Unter dem Deckmantel von humanitärer Hilfe erhielten wir auch Waffen und Munition aus der Türkei”, so Abu Kerem. Auch ausgebildete Selbstmordattentäter des IS konnten demnach problemlos von Syrien aus über die Türkei nach Europa reisen, um dort ihre Anschlagspläne zu verwirklichen, berichtet der gefangene IS-Verantwortliche. Es soll hierzu gar Abmachungen zwischen dem türkischen Geheimdienst MIT und der IS gegeben haben.

Der ehemalige hochrangige IS-Verantwortliche ruft alle dazu auf, der Organisation fernzubleiben und sich ihr nicht anzuschließen.