Gedenken an Musa Anter verboten

In Nisêbîn ist eine Gedenkveranstaltung für den vor 29 Jahren vom JITEM ermordeten Schriftsteller Musa Anter verboten worden.

Eine Gedenkveranstaltung für den vor 29 Jahren ermordeten Schriftsteller Musa Anter in Mêrdîn-Nisêbîn (tr. Mardin-Nusaybin) ist vom Gouverneursamt verboten worden. Der bekannte kurdische Intellektuelle ist am 20. September von den berüchtigten Todesschwadronen des JITEM, dem inoffiziellen Geheimdienst der türkischen Militärpolizei, in Amed erschossen worden.

Das Gedenken sollte im Dorf Sitîlîlê (Akarsu) stattfinden. Der Gouverneur begründete das Verbot damit, dass es sich bei den Veranstalter:innen um PKK-nahe Kreise handele. Außerdem wurde die Corona-Pandemie als Begründung genannt.

Musa Anter, die Platane der Kurden

Der kurdische Schriftsteller und Intellektuelle Musa Anter war ein Relikt aus einer anderen Zeit. 1920 im Dorf Zivingê in Nisêbîn (Nusaybin) geboren, erlebte er zu Lebzeiten vieles, was andere nur vom Hörensagen kannten. Die Gründungsjahre der türkischen Republik, den Aufstands des Şêx Seîdê Pîran (Scheich Said) und den Genozid in Dersim erlebte er als Schüler, den Zweiten Weltkrieg als Student. Er war einer der Protagonisten des kurzen Frühlings der kurdischen Nationalbewegung Ende der 1950er Jahre, im „Prozess der 49“ wurde er wegen kurdischer Propaganda und Separatismus angeklagt. Hintergrund war sein Gedicht Qimil (deut. Rüsselwanze, ein Getreideschädling), welches er im August 1959 in kurdischer Sprache in der Zeitschrift Ileri Yurt veröffentlicht hatte. Das Magazin mit Sitz in Amed (Diyarbakir) war seit Jahrzehnten wieder die erste Zeitschrift, die sich mit der kurdischen Frage beschäftigte. Musa Anter war der Herausgeber.

Von der kurdischen Gesellschaft wurde er Apê Mûsa - Onkel Musa - , genannt, oder auch „Çınar”, was „Platane“ bedeutet, ein mächtiger Baum mit tiefen Wurzeln und weit reichenden Ästen. Am 20. September 1992 wurde die kurdische Platane im Alter von 74 Jahren in Amed von der Konterguerilla gefällt. Anter, der damals in Istanbul lebte, war zu einem Kultur- und Kunstfestival nach Amed gereist, auf Einladung der dortigen Stadtverwaltung. Gleich nach seiner Ankunft hefteten sich Polizisten in Zivil an seine Fersen. Unter dem Vorwand, einen Konflikt zwischen zwei zerstrittenen Familien beizulegen, wurde Anter aus seinem Hotel gelockt und mitten auf der Straße mit fünf Schüssen niedergestreckt.