Die humanitäre Situation in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien ist nach jahrelangen Verteidigungskämpfen gegen islamistische Milizen wie den selbsternannten „Islamischen Staat“ und den militärischen Angriffen der Türkei äußerst angespannt. Die Koordinierungsstelle für Notfallmaßnahmen (Emergency Response Coordination Centre) der Europäischen Kommission hat die aktuelle Lage nach der gezielten Zerstörung der zivilen Infrastruktur in einem am Montag veröffentlichten Kurzbericht wie folgt zusammengefasst:
„Die Eskalation der Feindseligkeiten in Nordostsyrien (NES) führte zu einer Unterbrechung der Brennstoffproduktion und -verteilung. Die meisten Strom- und Umspannwerke wurden angegriffen und sind inzwischen außer Betrieb.
Die Alouk-Wasserstation ist vollständig vom Stromnetz abgeschnitten, und über eine Million Menschen in elf Städten, 2.750 Dörfern und 1.900 Schulen sind ohne Strom.
Die sich abzeichnende Treibstoffknappheit stellt ein erhebliches Risiko für die humanitäre Hilfe dar und beeinträchtigt die Mobilität des Personals, den Transport lebenswichtiger Güter sowie die Funktionsfähigkeit lebensrettender Gesundheitseinrichtungen und medizinischer Geräte. Mehr als 600.000 Binnenvertriebene in der NES werden bald ohne Koch- und Heizmaterial dastehen, was ihr Leiden im strengen Winter noch verschlimmert.
Die humanitären Partner und Akteure suchen nach vorübergehenden Lösungen und bemühen sich um die Unterstützung der Geber.“
Davrisch: Von humanitärer Hilfe zu langfristiger Entwicklungszusammenarbeit
Die Demokratische Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) bezeichnet die türkischen Angriffe als Fortsetzung der Bemühungen, die Zivilbevölkerung zu vertreiben und einen Völkermord durchzuführen. Dabei handele es sich um ein schmutziges und gefährliches Vorgehen, das die gesamte Region bedrohe und dem islamistischen Terror einen unentgeltlichen Dienst erweise. Die Türkei versuche, ethnische Konflikte zu schüren und von den Entwicklungen im Nahen Osten zu profitieren, hieß es Mitte Januar in einer Stellungnahme zu der Zerstörung der zivilen Infrastruktur.
Khaled Davrisch, Vertreter der nordostsyrischen Selbstverwaltung in Deutschland, erklärte dazu am Mittwoch in Berlin: „Bereits jetzt gibt es Projekte im Norden Syriens, die mit deutschen Geldern finanziert werden. Um nachhaltige Stabilität in der Region zu erreichen und weitere Fluchtbewegungen zu vermeiden, ist es aber entscheidend, von humanitärer Hilfe zu langfristiger Entwicklungszusammenarbeit überzugehen.“
Foto: Rojava Information Center