Die Veränderung des Arbeitslebens durch die Revolution von Rojava

Das syrische Baath-Regime baute seine Herrschaft auf der Missachtung der Rechte der Arbeiter auf. Mit der Revolution von Rojava organisierten sich die Arbeiter selbst und erkämpften ihre Rechte.

Wie in anderen kapitalistischen Staaten wurden auch im baathistischen Syrien Arbeiterinnen und Arbeiter ausgebeutet. Daran änderten auch staatssozialistische Parolen wenig. Insbesondere der absolute Kontrollanspruch des Regimes nahm der Bevölkerung Rechte und Freiheiten und führte zu einer brutalen Ausbeutung der Arbeitskraft.

Die Nachrichtenagentur ANHA hat mit Arbeitern und Aktivisten in den selbstverwalteten Gebieten Nord- und Ostsyriens über ihre Erfahrungen mit dem Arbeitsleben vor und nach der Revolution gesprochen. Fehid Hisên ist einer von ihnen. Der 40-Jährige lebt in Qamişlo und arbeitet als Reinigungskraft. Vor Beginn des syrischen Aufstandes suchte Hisên in vielen Städten in Syrien und im Libanon nach Arbeit. Er erinnert sich, wie er vor der Revolution von Rojava in den verschiedensten Städten Syriens jahrelang ohne jegliche Rechte und Sicherheit arbeitete. Necmeddin Mele Omar ist Generalsekretär der Kommunistischen Partei Kurdistans (KKP). Er berichtet von Angriffen des Regimes auf Arbeiter, Patrioten, Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten insbesondere in Rojava, die mit weit gefächerten Repressionen überzogen wurden.

„Arabischer Gürtel“ schuf ein kurdisches Heer von Arbeitslosen

Das ab 1973 umgesetzte syrische Siedlungsprojekt zur Arabisierung des vor allem kurdisch besiedelten Grenzstreifens reihte sich in eine Vielzahl von Angriffen gegen die Arbeiterklasse von Rojava ein, sagt Necmeddin Mele Omar. Der sogenannte „Arabische Gürtel“ zielte darauf ab, die ethnische Bevölkerungszusammensetzung in den kurdischen Gebieten zugunsten der arabischen Bevölkerung zu verändern und schuf ein Heer von Arbeitslosen. Die Siedlungspolitik übte einen massiven Migrationsdruck auf die kurdische Bevölkerung aus, die dazu gezwungen war, in den vorwiegend arabischen Städten im Süden und Westen des Landes nach Arbeit zu suchen.

Mihemed Emîn Mihemed lebt ebenfalls in Qamişlo und ist bereits 80 Jahre alt. Jahrelang habe er ohne jegliche Sicherheit arbeiten müssen. Noch immer sei er deshalb auf Baustellen tätig, um sein Überleben zu sichern. „Zur Zeit der Herrschaft des Regimes gab es in Rojava einfach keine Arbeit. Daher jobbte ich unter schwersten Bedingungen in Städten wie Homs und Damaskus. Und das für einen Niedriglohn“, erinnert er sich.

Ahmed Hesen al-Ali betreibt in Qamişlo einen Laden und erzählt, dass er unter der Baath-Herrschaft trotz seiner akademischen Ausbildung aufgrund der spalterischen Regimepolitik in keiner staatlichen Einrichtung arbeiten durfte. „Keine einzige Position in einer Behörde wurde damals mit uns jungen Menschen aus Rojava besetzt. Das Regime gab niemandem von uns Arbeit in seinen Einrichtungen“, sagt al-Ali.

Alle Arbeitsbereiche an das Regime gebunden

Unter dem Regime waren alle gesellschaftlichen und ökonomischen Sektoren an Damaskus gebunden. Rojavas natürliche Bodenschätze, also das Erdgas, Öl und die Landwirtschaft wurden von der Baath-Partei ausgebeutet. „Auch von Sektoren wie Zement und Papier wurden wir Kurden ausgeschlossen. Das Regime versuchte so, die kurdische Bevölkerung zur Migration in die arabischen Städte zu zwingen“, analysiert KKP-Generalsekretär Necmeddin Mele Omar.

Zwar existierten in Syriens verschiedenen ökonomischen Sektoren wie beispielsweise der Bauwirtschaft, der Ölwirtschaft, der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion gewerkschaftliche Organisierungsformen – dabei handelte es sich allerdings um Vorfeldorganisationen des Regimes. Auch die Gewerkschaftsverantwortliche Leyla Memû weist darauf hin, dass alle Gewerkschaften Überwachungs- und Kontrollinstrumente von Damaskus waren.

Revolution von Rojava sicherte Rechte der Arbeiterer

Mit der Revolution von Rojava wurden den Menschen Nord- und Ostsyriens in den verschiedenen Sektoren Arbeitsmöglichkeiten geschaffen. Die Selbstverwaltung nahm die Sicherung der Rechte der Arbeiter*innen in ihrem Gesellschaftsvertrag auf. Omar beschreibt die Veränderung als eine deutlich wahrnehmbare Verbesserung der Situation. Die Gründung von Arbeiterorganisationen und Räten wurde gesetzlich verankert und die Fortentwicklung der Arbeiterrechte der Selbstorganisierung von Werktätigen übergeben. Mit ihren Bemühungen konnte die Selbstverwaltung die Produktion in der Region trotz Krieg steigern und ein System aufbauen, in dem die Arbeit bezahlt und ihre sozialen Rechte garantiert werden. „Die Selbstorganisierung von Arbeiterinnen und Arbeitern zur Verteidigung der eigenen Rechte wurde so immer stärker. Dabei spielte insbesondere die Arbeiterunion von Nord- und Ostsyrien eine wichtige Rolle“, sagt Leyla Memû.