„Der Verfassungsausschuss hat keine demokratische Legitimation“

Auch bei der siebten Verhandlungsrunde über eine neue Verfassung für Syrien hat es in Genf keine Ergebnisse gegeben. Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien zeigte sich wenig überrascht.

Auch bei der siebten Verhandlungsrunde über eine neue Verfassung für Syrien hat es keine konkreten Ergebnisse gegeben. Der Syrien-Gesandte der Vereinten Nationen, Geir Pedersen, nannte am Freitag in einer Mitteilung keine greifbaren Fortschritte nach den fünftägigen Gesprächen in Genf. Eine geplante Pressekonferenz sagte er ab.

Pedersen bilanzierte, es sei in einzelnen Bereichen Flexibilität zu spüren gewesen. Dennoch betonte er, dass es zweieinhalb Jahre nach Beginn der Gespräche noch immer „einen deutlichen Bedarf“ an Kompromissbereitschaft und konstruktivem Engagement der Beteiligten gebe.

Al-Jassem: Der gesamte Prozess ist eine Totgeburt

Die Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien zeigte sich wenig überrascht vom Ausgang der jüngsten Verfassungsgespräche. Ahmed Al-Jassem, der Berater des Exekutivrats der Selbstverwaltung ist, sieht als Grund die fehlende demokratische Legitimation für das Gremium und bezeichnet den gesamten Prozess als „Totgeburt“. Dass in Genf keine greifbaren Fortschritte erzielt werden können, liege hauptsächlich daran, dass Nord- und Ostsyrien von dem Gremium ausgeschlossen ist. „Der Ausschuss baut von Beginn an auf Sand auf, da wir fehlen und die Delegierten nicht demokratisch gewählt wurden. Eine Honoratiorenversammlung mit einem fehlenden Demokratieverständnis kann einen Verfassungsprozess für ein vom Krieg zerrüttetes Land nicht in Gang setzen“, meint Al-Jassem.

Ahmed Al-Jassem

Keine gewählten, sondern ernannte Delegierte

Seit dem erzwungenen Waffenstillstand in Rojava und der Besatzung von Serêkaniyê und Girê im Oktober 2019 verhandelt der sogenannte Verfassungsausschuss in Genf über einen Frieden in Syrien. Das Komitee ist je mit fünfzig Delegierten des Regimes in Damaskus, der durch die Türkei gestützten „Opposition“ und der Zivilgesellschaft besetzt – am Verhandlungstisch sitzen insgesamt 45 Personen. Der Ausschuss soll entweder die alte Verfassung aktualisieren oder einen neuen Text ausarbeiten, über die Syrerinnen und Syrer in einem Referendum dann abstimmen sollen. Als „Rechtsgrundlage“ hält eine UN-Resolution von 2015 her, die Umsetzung aber wurde von Russlands Syrien-Beauftragtem Alexander Lawrentjew geplant. Alle Delegierten sind ernannt, jene aus der Zivilgesellschaft wurden vom Generalsekretariat der Vereinten Nationen bestimmt.

De facto verzögert der Ausschuss eine neue Verfassung

„Die Autonomieverwaltung repräsentiert ein Drittel von Syrien, in dem mehr als fünf Millionen Menschen leben“, hebt Al-Jassem hervor. Für eine Anerkennungswürdigkeit des Verfassungsausschusses brauche es die Vertretung aller Komponenten der syrischen Nation. In Genf aber verhandeln nur Regime, Terroristen und Besatzer. „Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich das Bild abzeichnet, dass der Ausschuss die Ausarbeitung einer neuen Verfassung zu verzögern versucht. Dieses Komitee ist illegal, wurde tot geboren und wird daher keine Lösung für Syrien finden. Syrien braucht einen neuen Gesellschaftsvertrag, der in einem innersyrischen Dialog erarbeitet werden sollte – mit Delegierten, die das gesamte Mosaik Syriens repräsentieren, für die territoriale Integrität des Landes einstehen und die Wahrung der Rechte der syrischen Nation garantieren. Alles andere dienst den Interessensphären der Besatzer.“