Angesichts des andauernden Embargos, Drohungen der Türkei und verbündeten Dschihadistenmilizen sowie der Gefahr, die durch Schläferzellen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) ausgeht, kommt die Schließung des einzigen Grenzübergangs in die nordostsyrische Autonomieregierung einem Vernichtungsschlag gleich. Mit diesen Worten protestiert die Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES) gegen die Schließung des Grenzübergangs Sêmalka durch die PDK-dominierte Regierung der Kurdistan-Region Irak (KRI) und verurteilt den Schritt als „einseitig“ und „unmenschlich“. Seit Donnerstag ist die Grenze dicht, eine offizielle Begründung oder Bekanntmachung seitens der KRI-Behörden liegt nach wie vor nicht vor. Die Schließung des Übergangs könnte eine Katastrophe verursachen und die humanitäre Situation in der Region weiter verkomplizieren.
„Wir sind besorgt und entsetzt über die Schließung der Grenzübergangsstelle bei Sêmalka, da es bis zuletzt das einzige offene Tor in unsere Regionen darstellte“, erklärt die AANES in einer Mitteilung. Sêmalka sei die „Lebensader“ für Millionen Menschen, die in einer von Embargo, Besatzung und Krieg gebeutelten Region auf die Lieferung von humanitären Hilfsgütern und Medikamenten angewiesen sind. Die AANES kritisiert, dass die einseitige Blockade des Übergangs als Mittel der politischen Erpressung gegenüber der Selbstverwaltung und Repressalie gegen die Bevölkerung eingesetzt würde und drängt auf eine umgehende Wiedereröffnung. „Wir hoffen, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzt und die Lebensader unserer Regionen zum letzten Mal als Druckmittel jener Parteien und Akteure herhalten muss, die versuchen, unser Volk und seine Errungenschaften zu zerstören. Wir lehnen diese Haltung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern entschieden ab“, so die Selbstverwaltung. Menschenrechte stünden über politischen Erwägungen.
Der Grenzübergang Sêmalka/Pêşxabûr liegt zwischen der Stadt Pêşxabûr am Ostufer des Tigris in der Provinz Dihok auf südkurdischer (irakischer) Seite und dem Ort Sêmalka in Dêrik auf westkurdischer (syrischer) Seite. Es handelt sich gegenwärtig um die einzige Möglichkeit, in die AANES rein, aber auch rauszukommen und Medikamente sowie humanitäre Hilfslieferungen in die Region zu bringen. Von der Schließung des Grenzübergangs waren lediglich in Nord- und Ostsyrien aktive Hilfsorganisationen und NGOs von der südkurdischen Grenzkontrollbehörde in Kenntnis gesetzt worden. Eine Begründung wurde allerdings nicht genannt.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Grenzübergang bei Sêmalka von den Behörden der KRI dicht gemacht wird. Immer wieder wird die wichtige Passierstelle auf Anordnung der von der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) dominierten KRI-Regierung geschlossen. Die letzte längere Abschottung hatte es im Winter 2021/2022 gegebenen. Rund sechs Wochen lang blieb der Grenzübergang vollständig für jeglichen Verkehr gesperrt. Zuvor hatte die PDK das Tor zwischen Süd- und Westkurdistan mehrfach auf türkische Anordnung hin geschlossen. Mit solchen Blockaden versucht der türkische Staat, Rojava zu isolieren und die selbstverwalteten Gebiete zu destabilisieren. Auch aktuell wird vermutet, dass die Grenzschließung auf das Drängen der Regierung in Ankara hin erfolgte.