Öcalan-Aufruf: DEM-Partei führt Gespräche mit AKP und MHP

„Es ist nicht die Zeit für Verzögerungen oder Ablenkungsmanöver, sondern für entschlossene Schritte in Richtung Frieden“ – Die DEM-Partei hat Gespräche mit der AKP und MHP über einen rechtlichen Rahmen für eine künftige Friedenspolitik geführt.

„Rechtsrahmen für Frieden“

Die DEM-Vorsitzenden Tuncer Bakırhan und Tülay Hatimoğulları haben im türkischen Parlament Gespräche mit Vertretern der Regierungspartei AKP sowie deren Koalitionspartner MHP geführt. Im Zentrum der Treffen standen der Aufruf Abdullah Öcalans an die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die mit ihr verbundenen Gruppierungen, die Waffen niederzulegen und die PKK aufzulösen, und mögliche Schritte zu einem Friedensprozess. Im Anschluss hielt die DEM-Spitze eine Pressekonferenz ab, in der sie ihre Einschätzungen und Forderungen darlegte.

Fokus auf Frieden und demokratische Reformen

Tuncer Bakırhan erklärte während der Pressekonferenz, dass der zentrale Punkt der Gespräche mit der AKP und MHP die Inhalte des „Aufrufs zu Frieden und einer demokratischen Gesellschaft“ gewesen sei. „Wir haben unsere Beobachtungen geschildert und mit beiden Parteien die rechtlichen Rahmenbedingungen für Frieden erörtert. Es wurde eingehend diskutiert, wie dieser Prozess vorangebracht werden kann", so Bakırhan. Weiterhin betonte er, dass die DEM-Partei in zahlreichen Bürgerversammlungen und Gesprächen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Erkenntnisse gesammelt habe, die nun in den Verhandlungen mit AKP und MHP zur Sprache gebracht wurden. „Die Menschen fordern in erster Linie demokratische Reformen und rechtliche Schritte. Zudem wurde die Bedeutung von Sicherheitsgarantien hervorgehoben, um den Prozess glaubwürdig zu gestalten“, sagte Bakırhan.

Voraussetzungen für einen nachhaltigen Friedensprozess

Im Rahmen der Gespräche wies die DEM-Partei auf notwendige Schritte hin, um den Friedensprozess zu erleichtern. So sei es erforderlich, optimale Arbeits- und Kommunikationsbedingungen für Öcalan zu schaffen, der seit seiner Verschleppung in die Türkei vor 26 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist. Auch die Abschaffung des sogenannten Zwangsverwaltungsgesetzes zur Okkupierung von oppositionsgeführten Rathäusern und andere restriktive Elemente, die nach dem vermeintlichen Putschversuch von 2016 aus Notstandsverordnungen in die Gesetzgebung übernommen wurden, wurden als möglicher Vertrauensschritt erörtert.

Zudem wurde betont, dass ein türkisch-kurdischer Friedensprozess und einer damit einhergehenden demokratischen Lösung der Kurdistan-Frage auch positive Auswirkungen auf die Lage in Syrien haben könnte. „Wir befinden uns in einer historischen Phase, in der sowohl Regierung als auch Opposition Verantwortung tragen, um die notwendigen Schritte einzuleiten“, erklärte Bakırhan.

Verurteilung des Massakers in Kobanê

Mit großer Bestürzung kommentierte die DEM-Partei die Nachrichten aus Kobanê, wo vergangene Nacht neun Mitglieder einer Familie, darunter sieben Kinder und ihre Eltern, bei einem türkischen Drohnenangriff getötet wurden. „Wir verurteilen diesen Anschlag aufs Schärfste. Unsere Wut ist groß, und wir sind tief betroffen“, so Bakırhan. Der Politiker betonte, dass solche Angriffe den laufenden Prozess erheblich gefährden könnten. „Diese Attacken sind Sabotageakte, die aufgedeckt werden müssen. Es muss geklärt werden, wer hinter diesen Angriffen steckt, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, forderte Bakırhan und verwies auf die Verantwortung der Regierung, solche Provokationen zu verhindern.

Warnungen von Öcalan

Auch Öcalan habe während seiner Konsultationen mit der Imrali-Delegation der DEM-Partei Bedenken hinsichtlich möglicher Sabotageversuche des Friedensprozesses geäußert, ähnlich dem Pariser Massaker von 2013, bei dem die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienstes erschossen worden waren, oder dem Massaker von Roboskî, bei dem 2011 34 Zivilisten, darunter 19 Minderjährige, durch einen gezielten Luftangriff der türkischen Armee getötet wurden. „Selbst Recep Tayyip Erdoğan warnte vor möglichen Sabotagen“, ergänzte Bakırhan und betonte: „Niemand soll im Zusammenhang mit diesem Angriff von ‚Maßnahmen zur Befriedigung von Sicherheitsbedenken‘ sprechen, wie es immer wieder zur Begründung von Massakern in Syrien heißt. Die extralegale Hinrichtung von sieben Kindern kann nicht mit einer ‚Gefahrenabwehr‘ begründet werden.“

Erwartungen an die Regierung

Angesichts der andauernden „Operationen“ der Türkei sowohl in Südkurdistan als auch in Rojava betonte die DEM-Partei-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları, dass eine Entspannung der militärischen Situation essenziell sei, um eine friedliche Lösung zu ermöglichen. „Die DEM-Partei ist nicht allein verantwortlich für diesen Prozess. Es liegt in der Verantwortung der Regierung, insbesondere des Präsidenten, die nötigen Rahmenbedingungen für einen Friedensprozess zu schaffen“, so Hatimoğulları.

Diskussion über Newroz-Botschaft

Die DEM-Partei habe in den Gesprächen ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine mögliche Botschaft Abdullah Öcalans zum Newroz-Fest eine positive Dynamik für den Friedensprozess schaffen könnte. „Wir erwarten konkrete Schritte und hoffen, dass eine solche Botschaft öffentlich gemacht wird, um das gesellschaftliche Verständnis für Frieden zu stärken“, sagte Hatimoğulları. Sie erklärte abschließend, dass ihre Partei in den Gesprächen mit der AKP und MHP einen wichtigen Schritt zur Diskussion um eine friedliche und demokratische Zukunft der Türkei sehe. Gleichzeitig betonte sie, dass es nun an der Regierung sei, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. „Es ist nicht die Zeit für Verzögerungen oder Ablenkungsmanöver, sondern für entschlossene Schritte in Richtung Frieden“, fasste Hatimoğulları zusammen. Die kommenden Tage und Wochen würden zeigen, ob sich die Regierung in dieser Frage als handlungsbereit erweist.