20. Januar: Jahrestag des Angriffs auf Efrîn
Am 20. Januar 2018 – 72 Jahre nach der Zerschlagung der kurdischen Republik Mahabad – begann der türkische Staat mit 72 Kampfflugzeugen eine Invasion auf Efrîn.
Am 20. Januar 2018 – 72 Jahre nach der Zerschlagung der kurdischen Republik Mahabad – begann der türkische Staat mit 72 Kampfflugzeugen eine Invasion auf Efrîn.
Der türkische Staat mit seiner historischen kurdenfeindlichen Haltung hat seit Beginn der Revolution in Rojava bewaffnete islamistische Gruppen unterstützt, um zu verhindern, dass die Kurden einen Status erhalten. Unter diesen Gruppen befanden sich die unter dem Namen FSA agierenden Dschihadisten sowie al-Nusra und der sogenannte Islamische Staat. Als diese Gruppen aber scheiterten, begann der türkische Staat mit seiner eigenen Armee am 20. Januar 2018 eine Invasion auf Efrîn.
Einigung mit Russland zu Efrîn oder mit den USA zu Minbic
Der türkische Staat setzte sich für eine Besatzung Nordsyriens mit allen regionalen und internationalen Mächten in Verbindung und war zu allen möglichen Zugeständnissen bereit. Vor den Angriffen auf Efrîn fand ein intensives Verhandeln mit den USA und Russland statt. Erdoğan verfolgte dabei die Linie: „Wenn wir uns mit Russland verständigen Efrîn, wenn wir uns mit den USA verständigen Minbic.“
Die US-Provokation
In der Zeit vor der Invasion hatte US-Außenminister Rex Tillerson angekündigt, in Nord- und Ostsyrien eine 30.000 Personen starke Grenzschutztruppe ausbilden. Diese provokative Erklärung legte die Grundlage für die türkische Besatzung. Seine Beziehungen zur Türkei spielten dann auch bei seiner Amtsenthebung eine Rolle.
Abkommen mit Russland
In den Verhandlungen mit Russland konnte der türkische Staat für die Räumung von Ost-Ghouta und Handelsabkommen über den Bau der Pipeline Turkish-Stream die Erlaubnis einer Invasion in Efrîn herausschlagen. Russland öffnete dem türkischen Staat den Luftraum und spielte damit eine entscheidende Rolle bei der Invasion und der Begehung von Kriegsverbrechen durch den türkischen Staat. Schon zuvor hatte die Türkei mit Russland Aleppo gegen al-Bab getauscht.
Angriff mit 72 Flugzeugen am 72. Jahrestag von Mahabad
Der türkische Staat hatte sich ein bedeutungsvolles Datum für seinen Angriff gewählt. Am 20. Januar, dem Beginn der Invasion, jährte sich die Zerschlagung der kurdischen Republik von Mahabad im Jahr 1946 zum 72. Mal. Der türkische Staat erinnerte auf seine Art an dieses Datum durch den Einsatz von 72 Kampfflugzeugen beim Angriff auf Efrîn. Es sollte wie nach dem Aufstand von Agirî die Botschaft vermittelt werden: „Hier wird euer erträumtes Kurdistan begraben.“
Angriff mit NATO-Waffen
Das türkische Militär, die Polizei, Dorfschützer bis hin zu Beamten wurden mobilisiert, um sich Efrîn wie eine Provinz einzuverleiben. Gleichzeitig wurden in den kurdenfeindlichen Medien Kampagnen durchgeführt und groß darüber berichtet, wie Menschen in den Städten der Türkei zu den Militärbüros gebracht wurden, um sich dort einzuschreiben. Die Türkei begann Efrîn mit modernsten schweren Panzern, Artillerie und anderen NATO-Waffen anzugreifen und präsentierte diesen Angriff rund um die Uhr in seinen Medien.
Erdoğans „Kuvayi Milliye“
Die Angriffe waren von einer Dschihadisten-Allianz begleitet, die Erdoğan als „Kuvayi Milliye“ (Nationale Kräfte) bezeichnete. Kuvayi Milliye waren die osmanischen Widerstandskräfte gegen die Aufteilung des osmanischen Reichs nach dessen Niederlage im ersten Weltkrieg. Die türkische Regierung brachte 25.000 Dschihadisten gegen Efrîn unter dem Namen „Nationales Heer“ zusammen. Allerdings zeigte Erdoğans „Kuvayi Milliye“ schnell ihr wahres Gesicht, als sie plündernd und mordend durch Efrîn zogen.
An der Besatzung beteiligte Gruppen
Bei den Gruppen, die sich an der Invasion von Efrîn beteiligten, handelt es sich um die Samarkand-Brigaden, Liwa al-Shamal, Liwa al-Muntazar-Billah, Jaish al-Ahfad, Ahrar al-Sharqiya, Fatih-Sultan-Mehmed-Brigaden, Sultan-Osman-Brigade, Kuvvet al-Makhawi, Furqat al-Safwa, Sultan-Murad-Brigade, Furqat al-Hamza, Thuwar al-Jazeera, Fewc al-Khames, Firka 23, Liwa al-Mutassim, Faylaq-2, Firka al-Shamaliya, Fewc al-Mistefa, Jaish al-Islam, Tecammah Festakim Kema Omert, Jabhat al-Shamia, Liwa 51, Suqour al-Sham, Ahrar al-Sham, Firqa 9, Jaish al-Nukhba, Faylaq al-Sham, Liwa al-Sultan-Sulaiman-Shah, Liwa Suqour al-Shamal, Harakat Nour al-din al-Zenki und Jabhat Tahrir-Suriye.
Ein hochtechnologischer Luftkrieg
Die Angriffe auf Efrîn begannen im Westen von Hatay, im Südwesten des Atme-Camps, im Norden von Kilis und im Osten von Azaz aus. Als die türkische Armee und ihre Milizen gegen die Einheiten der YPG und YPJ nicht vorankommen, setzen sie verstärkt auf Luftangriffe. Die Dörfer und Siedlungen wurden pausenlos aus Flugzeugen und mit Mörsergranaten bombardiert. In der ersten Woche der Angriffe erlitten die zweitgrößte NATO-Armee und ihre Milizen vor allem an der Front Qestel Cindo, Raco und Cindîrês schwere Verluste.
Systematische Morde an der Zivilbevölkerung
Während des ersten Monats konnten weder das türkische Militär noch seine Milizen Erfolge am Boden verzeichnen. Es kam zu schweren Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung durch Luftangriffe. Nach Angaben des Gesundheitsrats von Efrîn wurden im ersten Monat der Invasion 176 Zivilisten, davon 27 Kinder, getötet, 484 Zivilisten, 60 von ihnen Kinder, wurden verletzt. Am 52.Tag der Angriffe lagen die Zahlen bei 232 getöteten Zivilisten, davon 35 Kinder. 668 Zivilisten, 90 davon Kinder, wurden verletzt.
Letzte Bilanzen
Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) erklärte, dass bei den Angriffen mehr als 380 kurdische, arabische und armenische Zivilisten, 55 von ihnen Kinder, durch den türkischen Staat getötet worden sind. In einer Erklärung der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien vom Dezember lag die Zahl der getöteten Zivilisten bei 501, die der Verletzten bei 797.
Historische Orte angegriffen
Der türkische Staat griff religiöse Zentren, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Gesundheitszentren gezielt an und bombardierte Straßen, auf denen medizinisches Material und lebensnotwendige Güter transportiert wurden, um die kämpfenden Einheiten in der Stadt unter Druck zu setzen. Mit der gleichen Intention wurden auch gezielt die Wasser und Stromversorgung und die Infrastruktur angegriffen. So wurde auch der Meydankê-Staudamm, der für einen Großteil der Wasserversorgung von Efrîn sorgte, bombardiert. Nach Angaben des Zentrums für strategische Untersuchungen von Rojava wurden zwischen dem 20. Januar 2018 und dem 13. März 2018 31 Schulen aus der Luft und vom Boden aus angegriffen, bei diesen Angriffen wurden 13 Schülerinnen und Schüler getötet. Auch Bäckereien und am 16. März das Avrîn-Krankenhaus wurden zum Ziel der türkischen Luftwaffe.
Einer der bekanntesten historischen Orte von Efrîn war der Iştar-Tempel von Ayn Dara. Nach bisherigem Forschungsstand wurde der Tempel von den Hethitern und den Hurritern genutzt und ist somit über 3.000 Jahre alt. Am 23. Januar 2018 wurde der Tempel von der türkischen Luftwaffe zu mehr als 60 Prozent zerstört. In der dritten Woche der Angriffe bombardierte die türkische Luftwaffe die 2300 Jahre alte seleukidische Anlage von Kyrrhos und den daneben befindlichen wichtigen christlichen Pilgerort Nêbî Hûri. Viele weitere historische Orte wurden schwer beschädigt, geplündert oder zerstört.
Kriegsfatwas der türkischen Religionsbehörde und ihrer Ableger in Europa
Die türkische Religionsbehörde Diyanet verpflichtete die Imame in den Moscheen, Fatwas zu verkünden, die besagten, dass aller Besitz der Kurden in Efrîn Beute sei. Das türkische Militär und seine dschihadistischen Verbündeten befänden sich in einem „heiligen Krieg“. Damit begann die Plünderung des Besitzes der kurdischen Bevölkerung von Efrîn.