15 Jahre Haft für abgesetzten CHP-Bürgermeister gefordert

Dem wegen angeblicher Verbindungen zur PKK abgesetzten und verhafteten Istanbuler Bezirksbürgermeister Ahmet Özer drohen bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe. Die „mobile Guillotine“, wie der Spitzname des Generalstaatsanwalts lautet, hat Anklage erhoben.

Ahmet Özer

Rund vier Monate nach seiner Verhaftung fordert die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul nach einem Medienbericht 15 Jahre Haft für den abgesetzten Bezirksbürgermeister Ahmet Özer. Ihm würde die Mitgliedschaft in einer bewaffneten „Terrororganisation“ vorgeworfen, meldete die Onlinezeitung Duvar am Freitag. Die Anklageschrift gegen Özer wurde demnach bei einer der großen Strafkammern in Istanbul eingereicht, sei formell aber noch nicht angenommen worden. Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass das Verfahren zugelassen wird.

Ahmet Özer war Ende Oktober wegen angeblicher Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verhaftet und aus dem Amt entlassen worden. Seither sitzt er im Marmara-Gefängnis in Silivri, das als Internierungslager für Oppositionelle gilt. Der abgesetzte CHP-Bürgermeister des Istanbuler Stadtteils Esenyurt, der von Haus aus Soziologie-Professor ist, gewann den Bezirk bei der Kommunalwahl im März mit 49,05 Prozent der Stimmen. 

Sieg Özers durch „Stadtkonsens“

Als maßgeblich für den Sieg Özers bei der Abstimmung sieht die Opposition den „Stadtkonsens“, ein von der DEM-Partei im vergangenen Kommunalwahlkampf angestoßenes Vorwahlsystem, auf dessen Basis in zahlreichen Städten mit verschiedenen Parteien gemeinsame Kandidierendenlisten erstellt wurden. An den Vorabstimmungen nahmen Delegierte teil, die durch Parteimitglieder, Meinungsführer:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen bestimmt wurden.

Die DEM hatte sich für solche Vorwahlen nicht nur für die Auswahl der Kandidat:innen entschieden. Der Stadtkonsens sollte auch eine Amtsenthebung erschweren, die in der Vergangenheit vielfach mit dem Vorwurf erfolgte, die PKK habe die Auswahl der Kandidierenden beeinflusst. Laut Duvar kriminalisiert die Staatsanwaltschaft diese Zusammenarbeit der Oppositionsparteien und behaupte, dass die „Strategie“ für diese Politik von der PKK entwickelt worden sei. Der Stadtkonsens werde in der Anklageschrift als Beweis für eine PKK-Mitgliedschaft Özers herangezogen.

Die Anklage deute auch die Nennung von Özer im Rahmen eines Gesprächs von HDP-Abgeordneten und dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan, das während des zwischen 2013 und 2015 geführten Dialogprozesses geführt wurde, als Indiz dafür, dass der CHP-Politiker „auf Anweisung“ der PKK handeln würde. Bei der Unterredung damals, die im Beisein von Staatsvertretern stattfand, sei es um eine Liste gegangen mit Akademiker:innen gegangen, deren Expertise man für eine Lösung der kurdischen Frage einholen wollte. Im Fall von Özer sei es dazu aber nicht gekommen. Der Staatsanwaltschaft reicht die Nennung seines Namens offenbar aus, dies als weiteres Indiz für eine PKK-Mitgliedschaft zu werten.

CHP: „Fabrizierte Anklage“ aus der Feder der „mobilen Guillotine“

Die CHP kritisierte die Anklageschrift gegen ihren abgesetzten Bürgermeister scharf. Parteichef Özgür Özel bezeichnete das Klagepapier als Beweis für eine „fabrizierte Anklage“ aus der Feder einer „mobilen Guillotine“, wie der Spitzname des Istanbuler Oberstaatsanwalts Akın Gürlek lautet, der von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan eigens dafür eingesetzt wurde, gegen die Opposition vorzugehen. „Weil diese mobile Guillotine nicht in der Lage ist, tatsächliche Beweise gegen Ahmet Özer vorzulegen, ist unser Bürgermeister mit einer Anklage konfrontiert, die nichts weiter als erfundene Vorwürfe und Verleumdungen“, sagte Özel.